Schön geschaut hätt er, der Tom Edison, angesichts der Leuchte "LampLamp" von Designer Hironao Tsuboi für "100%" - eines von vielen gar nicht alltäglichen Alltagsobjekten von Charles & Marie.

Foto: www.charlesandmarie.com

Marie (38) studierte Literatur an der Sorbonne, schrieb erotische Bücher, war eines der gefragtesten Models und traf Charles auf der Biennale in Venedig. Dieser wurde 1951 auf den Bermudas als Sohn des britischen Botschafters geboren, studierte in Oxford, Eton und Berkeley, spricht fließend sieben Sprachen, ist ein Origami- und Schach-Fachmann und ein Mäzen der Kunstwelt. So die Kurzform der zwei Lebensgeschichten, wie sie auf der Website www.charlesandmarie.com zu lesen ist.

"Komisch, eigentlich sind es immer nur deutschsprachige Medien, die wissen wollen, ob die Geschichte wahr ist", so Claus Krogmann. Es macht ihm nichts aus, zuzugeben, dass die beiden Lebensläufe erstunken und erlogen sind. Hinter dem herbeifantasierten Pärchen stehen in Wirklichkeit er und sein in San Francisco lebender Kompagnon Marcus Greinke. Vor drei Jahren gründeten die Schlawiner ihren Weblog "Charles & Marie", auf dem inzwischen nicht nur gebloggt, sondern auch ordentlich eingekauft wird und zwar schräge Produkte, die die Menschheit so notwendig hat wie Charles und Marie eine Sozialversicherungsnummer. "Zu der Idee mit den Namen kamen wir, nachdem wir über eine amerikanische Studie gestolpert waren. Die besagt, dass der Auslöser für den Kauf von Lifestyleprodukten sehr oft auf persönlichen Empfehlungen von Freunden beruht und die klassische Werbung überschätzt werde. Es geht also um Menschen und Geschichten. Bei uns kauft man diese mit dem Produkt mit", so Claus Krogmann, der von täglich eintrudelnden E-Mails berichtet, bei denen es gar nicht um Bestellungen geht, sondern einfach nur schöne Grüße an Charles and Marie ausgerichtet werden.

Private Kunden und Galerien

Der Verkaufserfolg scheint dem Duo recht zu geben. Begonnen hat der Handel mit der sogenannten "Soup du Jour". Unter diesem Link wurde täglich nur ein Objekt pro Tag angeboten. Heute stehen rund 300 Produkte im virtuellen Regal des Ladens, man beschäftigt fünf feste und 15 freie Mitarbeiter. Kunden sind Private ebenso wie das MoMa in New York, die Galeries Lafayettes oder Boutiquen auf der ganzen Welt.

"Das Geheimnis für den Erfolg ist ein gut funktionierendes Netzwerk aus Designern, Studenten, Trendscouts, Bekannten usw. Wenn wir vom Objekt eines Designstudenten irgendeiner Hochschule 80 Stück verkaufen, kann man sich vorstellen, dass sich auch dessen Kommilitonen an unserer Ladenbudel anstellen", so Krogmann, dem sehr bewusst ist, dass man sich gegenseitig einen großen Gefallen tut.

"Mittlerweile verkaufen wir mehr Produkte als die Designer, die uns ihre Objekte anbieten", berichtet der geistige Vater von Charles und Marie. Das war für Krogmann und Greinke auch der Grund, eine eigene Kollektion von circa 20 Objekten aufzubauen, die sie in Lizenz produzieren lassen. Durch den "falschen" Namen, den man sich mittlerweile machte, finden sich immer mehr angehende Jungstars in der Angebotsliste des Shops, wobei etablierte Firmen à la Alessi nicht zum Fokus gehören.

Papierbausatz für eine Kalaschnikow

Apropos Fokus: Man könnte meinen, dass der Verbraucher nur auf wenige Produkte, die bei Charles und Marie angeboten werden, wirklich gewartet hat. Auf der Website finden sich hölzerne Mozartkugeln zum Aufziehen, Kulturbeutel in Form von Badekappen, Salz- und Pfefferstreuer in Hörermuschelform, ein Vibrator namens Lily, ein astförmiger USB-Stick oder ein iPod-Verstärker in Form eines Grammofons aus Keramik. Und wieso kauft jemand einen Papierbausatz für eine Kalaschnikow? "Produkte, die niemand braucht, gab es schon immer. Klar, richtet sich unser Angebot nicht an Menschen, die um ihren Lebensunterhalt bangen müssen. Ich sehe die Objekte als nette Ablenkung in einer Welt, in der der Stress immer ärger wird und sich die Menschen auch auf diese Art heitere Momente gönnen wollen. Das ist doch tief in uns verwurzelt, so wie das Bedürfnis, hin und wieder mal wegzufahren", so Krogmann. Und auch dafür haben Charles and Marie etwas in petto. Unter dem Button "Gran Tourismo" verstecken sich fetzige Reisetipps eines in Dubai stationierten Pärchens aus Australien. Wie die heißen? Lara und Terry. Und die gibt's im Gegensatz zu Charles und Marie wirklich. Deshalb dürfte auch keine so detaillierte Biografie der beiden zu finden sein. (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/12/09/2008)