+++Pro
Von Renate Graber
"Sie wissen schon." (Pause, bedeutungsvolle.) "Er ist zwar nicht schön" (je nach Bedarf einsetzbar: klug, wohlhabend, einflussreich, süß, kinderlieb, verständnisvoll, gebunden, prickelnd, strapazfähig, handwerklich begabt, sportlich; etwas Nettes oder Praktisches halt) – "aber er hat das" (Pause, bedeutungsvolle) "gewisse Etwas."
Das. Gewisse. Etwas.
Er (je nach Bedarf einsetzbar: sie) hat so etwas also. Diesen seidenleichten Schimmer von etwas, das so traumwinzigklein ist, dass der Betrachter es gar nicht begreifen, benennen kann. Eine Ahnung von Schalk in den Augen vielleicht, eine Idee von humoresken Anflügen, hinter staubtrockenen Girlandensätzen versteckt, Ansätze philosophischer, bunter Äderchen unter langwierigen Selbstbeweihräucherungen verborgen – oder einen ganz, ganz leichten Silberblick.
Ein buntes Tüpfelchen Etwas als Trostpflaster auf den grauen Durchschnitt geklebt – und schon schaut die Welt besser aus. Also, mich tröstet so etwas gewiss. Ich bin die Graue, ja, die da herüben, die mit dem Silberblick.
Contra---
Von Mia Eidlhuber
Gewisse Leute behaupten, das "gewisse Etwas" sei entscheidend im Leben: für die Liebe, den Erfolg – einfach alles halt. Das klingt nach einer spitzen Idee und so, als müsste man nur irgendwo reingehen und sich das "gewisse Etwas" kaufen, wie ein ausgeflipptes Accessoire, das man einfach aufsetzen kann wie eine radgroße Brille von Gucci. "Hast du das gewisse Etwas?", fragt mich der Persönlichkeitstest im Lifestyle-Magazin, das ich unter der Trockenhaube beim Friseur gelangweilt durchblättere, und will die Antwort darauf mit hochkomplexen Fragen finden wie "Welche Jahreszeit gefällt dir am besten?" Tja, frage ich mich äußerst angestrengt: Frühling? – Sommer? – Herbst? – Winter? – Oder alle gleich gut?
Wenn ich doch danebengehaut habe, rät mir der Persönlichkeitsratgeber, doch "öfter einen Flirt mit mir selbst" einzugehen. Und ich bemühe mich dann wirklich und erwäge auch eine künstliche Nagelverlängerung, aber das gewisse Etwas fehlt mir halt noch immer. Ich habe das ungewisse Gefühl, das ist gar nicht so schlecht. (Der Standard/rondo/19/09/2008)