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So hübsch ist Bandagen-Mode.

Foto: AP/Stuart Ramson

Rodarte ist der Mädchenname ihrer Mutter - und der Name ihres Labels. Schließlich wohnen die Mulleavy-Schwestern auch noch zu Hause.

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Die beiden widersprechen allen Gesetzmäßigkeiten der Modebranche: Sie sind unprätentiös und ziemlich pummelig, sie leben in Kalifornien und haben keine Modeausbildung. Leute wie sie verkaufen normalerweise Hippie-Mode am Venice-Beach. Doch Kate und Laura Mulleavy aus Kalifornien sind mit ihrem Label Rodarte das, was die Modebranche "Next Big Thing" nennt.

Bei der New Yorker Fashion Week im September waren sie - neben Marc Jacobs - die am aufmerksamsten beobachteten Modedesigner. Oder anders gesagt: Als die beiden Schwestern ihr Kommen beim Stella Award ankündigten (siehe Artikel gegenüberliegende Seite), blieb den Verantwortlichen in Zürich der Mund offen. Das war, als ob sich Karl Lagerfeld höchstpersönlich angesagt hätte.

"Wir hassen es, Kleider zu tragen"

Ein Gedanke, bei dem die beiden Schwestern wohl nur den Kopf schütteln würden. Im Vergleich zu Kaiser Karl sind sie komplette Greenhorns. Oder in ihren eigenen Worten: "Wir sind zwei entspannte, coole Mädels aus L. A."

Allerdings, muss man hinzufügen, mit ziemlich absonderlichen Interessen. Sie lieben die Haute Couture und beschäftigen sich mit japanischen Horrorfilmen, sie lesen James Joyce und haben ein Faible für Sciencefiction. Unnötig zu sagen, dass all das auch in ihre Kollektionen einfließt. Die hübschen, schlanken Mädchen in Hollywood, die Keira Knightleys und Natalie Portmans, mögen die Kleider trotzdem. Wann immer in den vergangenen Saisonen ein roter Teppich ausgelegt wurde, waren die sündhaft teuren Kreationen der Rodarte-Schwestern (die Preise gehen bis 30.000 Euro) darauf zu sehen. Sie selbst bevorzugen Jeans und T-Shirts: "Wir hassen es, Kleider zu tragen", erzählen sie, "aber wir lieben es, welche zu entwerfen."

Und was für welche! Mit der einfachen, geradlinigen Businessmode eines Calvin Klein oder einer Donna Karan, wie sie in Amerika so beliebt ist, haben sie nichts zu tun. Mit Rodarte gibt es in den USA seit langer Zeit erstmals wieder ein Label, das der hohen Schneiderkunst huldigt. Und das ohne irgendeine Ausbildung.

Eine Art Punk-Couture

Nach den College-Jahren in Berkeley (Laura studierte dort englische Literatur, Kate Kunstgeschichte) beschlossen die beiden, Modedesignerinnen zu werden. Einfach so. "Zu diesem Zeitpunkt konnten wir einfache Näharbeiten ausführen, das hatte uns unsere Mutter gelehrt." Sie ackerten ein Buch nach dem anderen durch, um Geld zu sparen, zogen sie in das Haus ihrer Eltern in Pasadena, um Geld für die Stoffe zu kriegen, verkauften sie ihre umfangreiche Plattensammlung. Einige Monate später machten sie sich mit Papierpuppen, die Miniaturmodelle ihrer Kleider trugen, auf nach New York. Die Redakteurinnen und die Einkäufer, denen sie sie zeigten, waren begeistert. Sie hievten die Mode in ihre Blätter und orderten. So einfach kann's gehen in Amerika. Bist du gut, geht die Post ab.

Und die beiden Schwestern sind gut. Ihre Mode ist eine Art Punk-Couture, Kleider, die so detailverliebt gearbeitet sind wie sonst nur die Roben bei den Couture-Schauen in Paris, dabei aber immer einen besonderen Twist haben. Zum Beispiel die aktuellste Kollektion der beiden, die Anfang September in New York gezeigte Frühjahr-/Sommerkollektion 2009, eine von Land-Art und den Farben von Olafur Eliasson inspirierte Kleiderpalette.

Über groben Netzstrümpfen und den verrücktesten High Heels der Saison zeigten sie kunstvoll drapierte Kleider, die jeden Moment auseinanderzufallen schienen. Leder und Ketten verwoben sie zu Strickpullis, die genauso löchrig wie kunstvoll gefertigt waren. "Wir haben das Gefühl, dass wir von Saison zu Saison besser werden."

500 Kleider im Jahr

Zumindest werden die beiden Schwestern immer experimenteller. Während andere Modedesigner den genau umgekehrten Weg gehen, also vom Experiment zur Konfektion, scheinen sich Rodarte immer weniger um den kommerziellen Aspekt ihrer Arbeit zu kümmern. Die betuchten New Yorkerinnen und die Hollywood-Starletts reißen sich trotzdem um die Kreationen. So viele gibt es auch nicht. Nur einmal 500 Kleider fertigten sie im vergangenen Jahr, bei vielen von ihnen legten die beiden selbst Hand an. Müssen sie wahrscheinlich auch.

Obwohl Rodarte unter Modeleuten ein klingender Name ist, arbeiten die beiden mit einem winzigen Team. Zwei, drei Mitarbeiter, ein Assistent. Das war's. Investoren, sagen Kate und Laura, stünden keine Schlange. Aber das sei kein Problem. Sonst müssten sie irgendwann wirklich bei ihren Eltern ausziehen. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/05/12/2008)