Diagonale Riemen, zwei verschieden hohe Absätze: So sieht es aus, wenn Star-Architektin Zaha Hadid Schuhe für Melissa Plasticdreams designt.

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Architektenschuh von Frank Gehry für JM Weston.

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United-Nude- Stiefel von Rem D. Koolhaas.

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Für Stühle dürfte schon einiges Modell gestanden sein, Tiere zum Beispiel: Von Ameise und Schwan ließ sich Designer Arne Jacobsen zu seinen Sitzklassikern inspirieren. Aber funktioniert es auch in die Gegenrichtung? Kann ein Stuhl Vorbild sein für, sagen wir, Schuhe? Er kann. Modell "Eamz" und "Moebius" von United Nude beweisen es.

Eine Animation auf der Website der britischen Schuhfirma zeigt, wie es funktioniert: Aus dem Barcelona Chair von Mies van der Rohe nehme man das x-förmige Stahlrohrgestell und füge dessen vier Enden zu einer eleganten Schleife zusammen, fertig sind Absatz und Sohle. Gegründet hat United Nude der Holländer Rem D. Koolhaas - nicht der große Architekt Rem Koolhaas, sondern sein Neffe. Geboren vor 34 Jahren, hat auch er Architektur studiert und will mit seinen Schuhen "Architektur sexy" machen.

Schwebender Schuh

Für sein neueres Modell, den "Eamz", stand der berühmte Sessel von Ray & Charles Eames Pate: der Plastic Armchair von 1950. Hier waren die runden Enden des Gestells Vorbild für den Absatz. "Das hat gut geklappt. Der Absatz sieht so aus, als gehöre er nicht zum Schuh, es ist, als schwebten die Schuhe", sagt Koolhaas.

Wieso ein Architekt nicht hoch hinauswill, sondern sich auf kleinere Maßstä- be begrenzt, beantwortet Koolhaas dem RONDO so: "Austausch zwischen den Disziplinen ist ein Zeitphänomen, wie in der Musik, bei HipHop, etwa, oder bei Künstlern, wenn sie Wissenschaft integrieren. Die Grenzen verschieben sich."

Ob man auf seinen Schuhen auch gut gehen kann? Die Pumps mit den exzentrischen Absätzen erinnern jedenfalls an das Fiasko bei den Mailänder Modeschauen im vergangenen September: Als Prada dort die Frühjahrs-/Sommer-Kollektion 2009 zeigte, fielen die Models reihenweise um. Die Absätze waren mit 17 Zentimetern einfach zu hoch.

Architekten mit Schuhtick

Die Prada-Pumps sind der Höhepunkt einer Entwicklung in der Schuhmode, die sich in letzter Zeit mehr und mehr abzeichnet. Damenschuhe, deren Designs immer wahnwitziger, ergo untragbar werden: die Absätze noch höher und noch schmäler, die Bändchen, Laschen, Riemchen am Spann eher Zierde als Halt, dass das Gehen zu einem Balanceakt wird. Jeder Schuh eine kleine Skulptur, jeder Pumps ein kleines Hochhaus.

Da erscheint es nur logisch, wenn nun Architekten derlei Schuhwerk kreieren. Rem D. Koolhaas ist beileibe nicht der einzige Architekt mit Schuhtick: Auch Zaha Hadid, Meisterin der zackigen Linie, tut es, ebenso wie Frank Gehry statt mit Titanblech nun mit Leder baut.

Hadids Entwürfe für Lacoste, die im Sommer auf den Markt kommen sollen, mussten allerdings gerade eingestampft werden: "Zaha Hadid hat leider in letzter Sekunde noch Änderungen durchgeführt", heißt es bei Lacoste, "deshalb mussten die Schuhe komplett neu produziert werden." Tja, Rubert Sanderson, soeben zum Accessoire-Designer 2008 gewählter Londoner, hat eben recht: "Schuhe designen muss man sehr, sehr wollen. Nur so wird es klappen."

Spaßige Schuhe

Dabei war es nicht das erste Mal, dass Hadid Schuhe baute. Für die brasilianische Öko-Design-Schuhfirma Melissa entwarf sie im vergangenen Jahr ein Modell aus Plastik, knallfarben wie ein Lutschbonbon und wie ihre Gebäude inspiriert von Linien aus der Natur. Zum britischen Independent sagte Hadid: "Jeder Schuh kann gut aussehen oder komfortabel sein. Aber die Herausforderung liegt darin, einen zu entwerfen, der Spaß macht, vielseitig ist und dabei auch noch praktisch." Ihrem Plastikschuh verpasste sie zwei unterschiedlich hohe Absätze. Das Gehen klappt damit angeblich dennoch.

Warum es gar nicht eigenartig ist, Architekten Schuhe entwerfen zu lassen, befand Michel Perry, Kreativdirektor des Pariser Traditionsunternehmens JM Weston, gegenüber der Financial Times: "Die Disziplinen ähneln einander. Ein Schuh muss eine Person sicher tragen, wie auch ein Gebäude ein gutes Fundament besitzen muss." An die feinen Lederschuhe ließ JM Weston Designer wie Kris Van Assche und nun Frank O. Gehry.

Frank O. Gehry hat zuletzt in Toronto einen erwartet spektakulären Anbau der Art Gallery of Ontario vollendet. Doch was kommt raus, wenn er sich mit kleinen Fundamenten befasst? Ein, nun ja, langweiliger Schuh. Eine klassische Stiefelette, das einzig Gewagte ist noch der weiße Schaft, der an einen Frack erinnert.

Der Fairness halber sei gesagt: Es handelt sich um einen Männerschuh. Und der Träger, der vergleichsweise ausgefallene Treter an seine Füße lässt und auch noch in ihnen gehen kann, muss vielleicht erst noch geboren werden. (Mareike Müller/Der Standard/rondo/09/01/2009)