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Den Stil einer Epoche prägende Jackie Kennedy

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Laura Bush

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Michelle Obama

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Weiß und bestickt oder rot und schulterlos? Dezenter Schmuck oder ein großes Collier? Maria Pinto oder Narciso Rodriguez? Das Kleid, das Michelle Obama am Abend des 20. Jänner tragen wird, ist nichts weniger als eine Staatsangelegenheit. Nachdem ihr Mann am Morgen auf die Bibel geschworen und sie brav daneben gestanden sein wird (wahrscheinlich in einem unauffälligen Ensemble mit Perlenkette), gehört der Abend ihr. Dann wird sie gemeinsam mit Barack den Ball zu seinen Ehren eröffnen. Sie werden auf die Tanzfläche schreiten, und die Augen werden auf Michelle gerichtet sein. Nur auf Michelle. Und auf ihr Kleid.

Am nächsten Morgen werden die Auguren in den Zeitungen das Kleid nach Stich und Faden analysieren. Wird es so glitzern wie weiland das paillettenbesetzte Silberkleid von Nancy Reagan (1981)? Eine Zeit des Glamours kündigte sich damals an. Als sei nicht ein Schauspielerpaar, sondern die Crew von "Dallas" ins Weiße Haus eingezogen. Wird es so königlich sein wie das Tüllkleid mit aufgestickten Perlen und Kristallen, das Laura Bush zum Inaugurationsball von Bushs zweiter Amtszeit trug (2005)? Eine Zeit imperialer Hochmut war hereingebrochen. Oder so schweinchenrosa wie jenes von Mamie Eisenhower (1953)? Eine Zeit des Wohlstands und der pinken Kinderzimmer sollte kommen.

Keine Frage: Das Kleid der First Lady beim Inaugurationsball gilt als eines der ersten Symbole der neuen Präsidentschaft. Wer es entwerfen wird, ist ein strenggehütetes Geheimnis. Oscar de la Renta war der Designer vergangener First Ladies. Doch seine Regentschaft dürfte der Vergangenheit angehören. Michelle Obama kennt ihn nach eigenen Aussagen gar nicht. Sie steht für einen anderen Stil als den betulichen Ostküstenchic der amerikanischen Oberschicht. Oder wie es die bunten Blätter seit Monaten trommeln: "A new style-icon is born." Eine neue Stilikone ist geboren. Der Vergleich, der am öftesten gezogen wird, ist jener mit Jacqueline Kennedy.

Jackie bestimmte neuen Stil

Falscher kann man nicht liegen. Stil war für Jackie ein maßgebliches Ausdrucksmittel. Wenn nicht ihr maßgeblichstes. Eines ihrer wichtigsten Projekte als First Lady war, das Weiße Haus wieder auf Vordermann zu bringen. "Es ist wie ein Mittelklassehotel, das aus einem Kaufhaus mit Stücken aus dem Winterschlussverkauf möbliert worden ist", beschwerte sie sich nach dem Einzug. Aufwändig restaurierte sie das neue Heim. Es sollte für den Stil der Nation stehen - genauso wie sie selbst für den Chic des neuen Amerika.

Was immer sie in den tausend Tagen der Kennedy-Administration trug, vom schulterfreien Abendkleid mit überlangen Handschuhen über die meist in sanften Farben gehaltenen klassischen Kostüme samt Pillenschachtelhut bis hin zur Freizeitmode, die sie auf Cape Cod oder auf dem Segelboot ihres Mannes trug - es wurde sofort stilbildend. Jackie und Mode, das gehört zusammen wie Schampus und Austern. Bei Michelle Obama rangiert Mode unter ferner liefen. Da hat sie mehr mit Barbara Bush oder Hillary Clinton gemein als mit der schönen Kennedy.

Warum punktet Michelle dennoch so mit ihrem Äußeren?

Michelle kauft online

Es ist ihre Unverkrampftheit, mit der sie zu ihrem Stil steht - und der sie selbst als First Lady zu einer Frau des Volkes macht. Von Jackie Kennedy gibt es einen Ausspruch, den sie einmal gegenüber ihrem Lieblingsdesigner Oleg Cassini fallen ließ: "Ich will nur Originale tragen und nicht erleben, dass fette, kleine Frauen in den gleichen Kleidern herumhüpfen."

Als Michelle Obama in der Talkshow von Jay Leno auftrat, trug sie eine dreiteilige Kombination aus kanariengelbfarbigem Bleistiftrock, Cardigan und Top, die sie im Online-Shop der US-Modekette J.Crew erstanden hatte. Gesamtpreis: 337,98 Dollar. Das Kleid mit schwarz-weißem Blattmuster, das sie in der Fernsehsendung "The View" trug, kostete 148 Dollar. Das kann sich selbst die Friseurin an der Ecke leisten. Genauso wie die Perlen, zu denen Michelle so oft greift und die ihr die vielen Vergleiche mit Jackie Kennedy eingebracht haben. Sie sind so groß, dass sich die Frage nach ihrer Echtheit erübrigt.

Mode, verdeutlicht Michelle Obama, hat weniger mit Geld als mit Geschmack zu tun - und mit dem Bewusstsein, dass sich damit ganze Weltbilder auf den kleinsten gemeinsamen Nenner bringen lassen. Das Kleid aus "The View" stammt aus dem Modekaufhaus "White House Black Market" und transportierte das politische Statement, dass Obama auch kleidungstechnisch zu ihren afroamerikanischen Wurzeln steht.

Anstatt sich modisch einem typischen Präsidentengattinen-Chic anzupassen, der aus den immergleichen Kostümen in gedeckten Farben besteht, greift Michelle Obama in die Farbkiste. Ihre Lieblingskleider sind türkis, gelb oder wild gemustert (die Farben passen ihr hervorragend), haben eine A-Linie (das schmeichelt ihrer Figur) und werden mit einem auffallenden Accessoire kombiniert (am liebsten eine große Brosche, ein breiter Gürtel oder eine dicke Perlenkette). Gegenüber der stilistischen Saturiertheit und Langeweile, die in den vergangenen Jahrzehnten im Weißen Haus meist herrschte, ist das ein ziemlicher Bruch.

Weniger, weil hier jemand etwas ganz Neues ausprobieren würde. Oder weil Michelle wie Jackie Kennedy auf einen für Amerikaner ungewohnten Stil setzt (bei Kennedy war es der typisch französische Chic). Sondern weil Michelle mit ihrer Kleidung weniger die Präsidentschaft repräsentiert als sich selbst: ihr Frauenbild, ihre Präsidentengattinnen-Rolle, ihre Herkunft. Hillary Clinton, die eine ähnlich starke Position wie Michelle Obama neben ihrem Mann innehatte, hat genau das kleidungstechnisch nie geschafft. Im Internet kursieren bis heute Bildergalerien, die sich all den modischen Fauxpas der ehemaligen First Lady widmen. Im Hosenanzug beeindruckte sie die Wähler nicht, sie erschreckte sie. Es war nur folgerichtig, dass Hillary als Lieblingscouturier denjenigen ihrer Vorgängerin, also Oscar de la Renta, wählte. Da konnte, meinte sie wohl, nicht all zu viel schiefgehen. Weit gefehlt.

Die Designer Von Michelle O.

Große Namen wird man auf der Liste von Michelle Obamas bevorzugten Designern keine finden. Es war Sarah Palin, die im Wahlkampf ob ihrer Ausgaben für die neue Garderobe ins Schussfeld geriet. (Sie erinnerte damit an die Vorliebe von Nancy Reagan für Valentino und Co; das Reagan-Rot wurde sogar sprichwörtlich.) Dabei hätten Obamas Couturiers die Aufmerksamkeit verdient. Ihre Wahl lässt sich durchaus als politisches Statement interpretieren. Die meisten von ihnen haben einen Migrationshintergrund, alle betreiben kleine oder mittelgroße Labels.

Thakoon Panichgul (das gemusterte Etuikleid, das Obama bei der National Convention trug, ist von ihm) stammt aus Thailand und wuchs in Nebraska auf, Narciso Rodriguez (er kreierte das vieldiskutierte Vulkan-Kleid am Wahlabend) stammt aus einer kubanischen Einwandererfamilie. Beide können ein Testimonial wie Michelle gut gebrauchen.

Kleine Designer halten sich oft nur mühsam über Wasser, für Werbung bleibt ihnen meist kein Geld. Auch bei Maria Pinto ist das so. Die Chicagoer Designerin ist Michelles Lieblingsschneiderin. Eine aus ihrer Neighbourhood. Nach 2001 ging sie Bankrott. Mithilfe von Michelle Obama ist sie jetzt wieder da. Am 20. Jänner wird sie vielleicht ganz groß rauskommen. Dann glänzen an diesem Abend gleich zwei Frauen. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/16/01/2009)