Das Gaumenspiel gehört an sich nicht zu den Wirtshäusern, für die in Krisenzeiten erhöhte Sorge angebracht scheint. Zwar ist das kleine Lokal mit den roten Wänden und großen Fenstern zur Zieglergasse Teil jener neuen gastronomischen Mittelklasse, die in den vergangenen Jahren so erfreulich zugelegt hat - und der dieser Tage die größte Gefahr vorausgesagt wird, vom Sog der Krise mitgerissen zu werden. Anderseits behauptet gerade das Gaumenspiel (trotz des seltsamen Namens) seinen Nimbus als kulinarischer Hotspot des siebten Bezirks schon seit Jahren sehr erfolgreich.
Das ist nicht nur wegen der starken Konkurrenz bemerkenswert. Die dezidiert internationale Küche (Knödel gibt es - als Nachspeise) hat trotz häufig wechselnder Köche nicht an Flair verloren - eine Leistung der Betreiber Martina Kraler und Rodschel Rachnaev. Als wäre es ziemlich egal, welcher junge und ambitionierte Küchenchef (zuletzt Martin Kammlander) gerade am Herd steht: Das anspruchsvolle Essen, die hohe Produktqualität, auch der Pfiff bei Würzung und Zusammenstellung der Gerichte bleiben. Die Buchungslage ist entsprechend, wovon man sich dank der großen Fenster schon beim Vorbeifahren überzeugen kann. Abend für Abend präsentiert sich da ein bestens besetztes Restaurant: Gut, dass die guten Zeiten nicht für alle vorbei sind!
Krisen-Reaktion
Dagegen mag die Krisen-Reaktion der Betreiber recht abrupt anmuten, auf den ersten Blick zumindest: Seit Jahresanfang hat das Gaumenspiel nur noch abends geöffnet, die Küchenmannschaft wurde ausgewechselt. "Das Mittagsgeschäft hat sich nicht wirklich gerechnet", sagt Rachnaev, "und wir sparen uns drei Posten." Was bei einem Lokal dieser Größe bald einmal die Hälfte des Personals ausmacht.
Dafür darf jetzt ein junger Mann die Küche befeuern, der einiges erwarten lässt: Dieter Breitenecker war lange Jahre Sous-Chef bei Schnattl und Gradwohl. Dass dabei einiges hängengeblieben ist, zeigte er bereits im Gemeindegasthaus von Feistritz am Wechsel, das er kurzfristig übernommen, das sich dann aber als zu abgelegen (und dazu noch unglücklich renoviert) erwiesen hatte. Wer den Weg hinfand, wurde mit aufwändig gefüllter Pasta und hochklassigem Fisch belohnt.
Reduktion des Personals und der Karte
Das kann Breitenecker unverändert gut. Die mit roten Rüben gefüllten Agnolotti auf Pak Choi mit Räucheraal sind exakt abgestimmt, die Pasta zart und elastisch, ganz wunderbar. Wolfsbarsch mit Vongole ist ein prachtvolles Stück Wildfisch, knusprig gebraten, ohne dass das köstlich empfindliche Fleisch Schaden nähme, auch eindeutig Oberliga.
Dann wieder scheint es, dass mit der Reduktion des Personals auch die Karte verkleinert gehört hätte. Vier verschiedene Menüs à vier Gänge ist viel. So wirkt manches, wie der marinierte Kalbskopf, hastig und nachlässig gewürzt. Anderes, wie die klare Currysuppe mit Seesaibling, erreicht den Tisch nur lauwarm. Richtig lästig wird es aber, wenn der stark geforderte Service einen immer wieder vor leeren Gläsern sitzen lässt - und sich auch noch ziert, die Flasche endlich dem Tisch zu überlassen. Sparen okay, aber nicht beim Wein der Gäste! (Severin Corti/Der Standard/rondo/23/01/2009)