Dame mit Hut.

Foto: Verlag

"1945 verdiente ein Gärtner, der in Eigenregie und ohne Gehilfen arbeitete, drei Pfund die Woche. Dafür musste er an sechs Tagen jeweils zehn Stunden arbeiten. Die Unterkunft wurde gestellt, im Gegenzug erwartete man, dass seine Frau im Herrenhaus putzte und das Paar kinderlos blieb."

Die englischen Gärten - eine vordergründige Idylle also und ohne Dauerpflege und ohne Gärtner undenkbar. Doch nach 1945 begannen derlei Zustände im Vereinigten Königreich England zu bröseln, und 1955 gab es bereits dreimal so viele offene Stellen wie Gärtner.

Gartengeschichte

Dieser Wandel ist der Ausgangspunkt, den die britische Gartenjournalistin Ursula Buchan für ihr Buch "Als die Gärtner Tweed trugen" (Gerstenberg-Verlag, EURO 24,-)gewählt hat. Sie rückt in der Folge all jene Gartenbesitzer in Text und Bild, die damals die Tweedsakko- und Seidenblusenärmel aufkrempelten und begannen, ihre Prachtgärten eigenhändig zu pflegen.

Die Betrachtungen der Damen und Herren in Gummistiefeln und unter extravaganten Kopfbedeckungen, sie erfolgen durch das fotografische Auge einer Dame, die in Großbritannien Gartengeschichte geschrieben hat: Valerie Finnis (1924-2006).

Finnis war ausgebildete Gärtnerin und unterrichtete knapp drei Jahrzehnte lang an der Waterperry Horticultural School for Women bei Oxford. Mitte der 50er-Jahre begann sie mit einer alten Rolleiflex, die sie geschenkt bekommen hatte, zu fotografieren:

Pflanzen, Gärten - und die darin befindlichen Menschen bei deren Werktätigkeit, wie zum Beispiel die legendäre Margery Fish. Die begann erst nach ihrer Verehelichung mit dem Herausgeber der Daily Mail, Walter Fish, Hand an den Garten zu legen, weil ihr die kitschig leuchtenden Farben der Dahlien ihres Gatten missfielen. Damals war sie immerhin 45 Jahre alt. Heute gilt sie als wichtigste Begründerin des britischen Cottage-Garten-Stils, und diverse Pflanzenzüchtungen gehen auf ihre Experimentierfreudigkeit zurück.

Gummistiefel und Pflanzenraritäten

"Ein Rundgang durch den etwa dreitausend Quadratmeter großen Garten", schreibt Autorin Ursula Buchan, "konnte mit ihr bis zu fünf Stunden dauern."

Buchan rankt die Geschichten der britischen Garten-persönlichkeiten aus den 50er- bis 70er-Jahren geschickt um die zartpastelligen Finnis-Fotos der Gartenwelt von gestern. Sie berichtet von Vita Sackville-West, die ein Kollege als "Lady Chatterley oberhalb und Wildhüter unterhalb der Taille" beschrieb. Sie erzählt von der Naturschutzaktivistin Dame Miriam Rothschild und deren berühmter Wildblumensaatmischung mit dem bezeichnenden Namen "Farmer's Nightmare".

Sie beschreibt die Schrullen eines Sir John Heathcoat Amory, der den Garten in späten Jahren mit dem Elektrogefährt durchmaß, aber stets vergaß, wo er geparkt hatte, und der ausgezupftes Unkraut in seine Jackentaschen zu stecken pflegte. "Jahrelang waren mir Pflanzen wichtiger als Menschen", hatte Valerie Finnis gesagt, "doch in Wirklichkeit zählen nur die Menschen."

"Als die Gärtner Tweed trugen" ist eine interessante Fachlektüre über passionierte Gärtner, Züchter, Fanatiker - aber auch ein wunderbares Nachschlagewerk in Sachen Schrulligkeit. (Ute Woltron/Der Standard/rondo/13/03/2009)