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Wer zwischen März und Juni anreist, kann hier gar mit Walhaien schnorcheln. Und die gut 220 verschiedenen Korallenarten, die das lange Riff entstehen ließen, sind auch das übrige Jahr am Platz.

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Grafik: DER STANDARD

Wer Broomes International Airport im Sinkflug nimmt und über die lokalen Mudcrab-Mangroven von Town Beach gleitet, erlebt mitunter ein Déjà-vu. Denn die Stadt der Perlenzüchter könnte genauso gut zwischen Miami und Louisiana liegen. Breite Straßen, durch die sich die üblichen Familienkutschen der weißen Mittelstands-Aussies schieben, die hier in geblümten Holiday-Hemden einen auf Gala Tropicana machen. Und Palmen-Resorts wie aus der Retorte: Zur fabulösen Cable Beach hin verdichten sie sich zu einem einzigen pastellfarbenen Siesta-Suburb.

Soeben taucht dort, am breiten Sandstrand, so wie an jedem Abend eine besondere Silhouette auf, eine, die man in ganz Australien kennt. Es sind die Buckel der Dromedarkolonnen, auf denen Urlaubergrüppchen zwischen weißen, weichen Sanddünen die obligate Sunset-Runde drehen. Der Kamelritt im Bikini passt perfekt zum Image der Stadt. Immerhin gilt Broome als Garant für Exotik und für relaxte Tage, der sein Pionier-Feeling in delikaten Dosen verteilt: der japanische Friedhof, der an die Tage der Perltaucher erinnert.

Das bierige Perlen an der Kolonialveranda von Matso's Mikrobrauerei, wo preisgekröntes Chili-Weizenbier, Mango-Stout und ähnliche Bier-Bravourstückchen in Degustationssets angeliefert werden. Und nicht zu vergessen: die nostalgische Aura des Sun-Pictures-Kinos von 1916, des "World's Oldest Open Air Cinema", das heute noch betrieben wird.

Das ist auch das Mantra, wenn man das Gateway ins nördliche Westaustralien in südlicher Richtung verlässt: Open Air Cinema. Flach ist das Land am Rand der Great Sandy Desert, deren Ausläufer sich an der Küste als Eighty Miles Beach dahinzieht. Man muss es sich auf der Zunge zergehen lassen: Achtzig Meilen einsamen Strandes. Monoton wird der Trip deswegen nicht. In der Pilbara, einige hundert Meilen südwestlich, sind die Gebirgszüge höher geworden und die Farben unter dem knallblauen Himmel immer intensiver.

Karminrot, violettblau und purpurfarben leuchten die erzhaltigen Felsen herein. Als ob die Geister der hier beheimateten Meharry-Aborigines die Gegend in einer üblen Laune verprügelt hätten, sehen die blau und grün schillernden Abhänge aus. Scheinbar wie zum Trost hat die Natur kugelige Pflanzenbäusche darübergebreitet: Es ist die typische Spinifex-Vegetation, die weite Teile des Outback überzieht - und die auch die zerklüftete Pilbara zur idealen Kulisse für apokalyptische Wild-West-Movies macht.

Riesiger Reichtum liegt hier unter der Erde verborgen, immerhin gelten die Eisenerze der Gegend als Triebfeder des australischen Rohstoffbooms. Unermüdlich verkehren riesige Züge und Monster-trucks zwischen dem staubigen Hafen Port Hedland und der prosperierenden Minenstadt Tom Price - eine Art Freilichtmuseum für Montagearbeiter und Baggerfahrer, in dem auch der Hau-ruck-Charme der "mine towns" Überstunden schiebt.

Davon ist beim Städtchen Exmouth nicht mehr viel zu spüren. Strahlend weiße Sanddünen und ein kräftig türkises Plätschermeer prägen den hier gelegenen Cape Range National Park. Bei Tur- quoise Bay zieht sich die sachte Meeresströmung des Snorkel Drift zwischen Sandbänken dahin, geradezu perfekt, um wie in einem Film über die darunter verborgenen Korallengärten zu gleiten. Der "Film" heißt Ningaloo Reef und hat eine Länge von 250 - allerdings nicht Minuten sondern Kilometer. So weit erstreckt sich zwischen Exmouth und dem weiter südlich gelegenen Coral Bay Westaustraliens Antwort auf das berühmte Great Barrier Reef.

Wer zwischen März und Juni anreist, kann hier gar mit Walhaien schnorcheln. Und die gut 220 verschiedenen Korallenarten, die das lange Riff entstehen ließen, sind auch das übrige Jahr am Platz. Kein anderes Riff dieser Größe, das sich so nahe ans Festland heranschöbe: An einzelnen Stellen ist die Ningaloo-Riff-Kante keine hundert Meter weit entfernt. Nicht umsonst wurde der Ningaloo Marine Park zuletzt flächenmäßig ausgeweitet.

Monkey Mia, ein paar Autostunden weiter südlich. Die starken Regenfälle der vergangenen Wochen haben zweierlei bewirkt. Erstens eine wahre Orgie an Wildblumenwuchs, der die welligen Täler binnen Tagen in ein wahres Farbenmeer verwandelt hat und eindrucksvoll beweist, dass sich hier mit 8000 Wildblumenspezies mehr Arten konzentrieren als in allen übrigen Gegenden der Welt. Doch zugleich haben die Schauer die Wege zur Cape-Perron-Halbinsel unpassierbar gemacht - außer für Darren "Capes" Capewell, eine Art Power-Aboriginal und lokale Nature-Guide-Instanz.

So steht man als Capes Gast wenig später an jenem herrlichen Stück Steilküste, an dem die Klippen weiße Meerschaum-pelze tragen und wo man mit etwas Glück Haie schwimmen sehen kann: Bottle Bay. Es duftet nach Sandelholz, das hier in halbhohen Büschen wächst und nach dem früher die ganze Gegend roch, weil es die Malgana-Leute bei ihren nächtlichen Wanderungen vor sich hertrugen, weil das harzige Holz so schön und anhaltend glost.

Capes nutzt die Zeit an dem herrlichen Flecken auf seine Weise. Er spricht mit dem Wind und der Gischt von Bottle Bay - und grüßt so die Ahnen seines Clans. Vor allem aber trainiert er einen unterwegs. Wie schnell lief das Känguru, das diese Spur hinterließ? (Auflösung: Schwanz-Schleifspur bedeutet "low speed"). Wo versteckt sich der Waran? Wo steht der nächste Sandelholzbaum? Wie weit ist diese Insel entfernt? Resultat: erschütternd. Denn im Fahren sind alle Büsche gleich - und sogar die Zweige, die eigentlich Warane sind. Aber ein bisschen versteht man schon: Capes Land ist eines der vielen Länder, die es früher hier gab, ohne Straßen und Bargeld zwar, aber mit natürlichen Grenzen. Es heißt Gathaagudu, "Zwei Wasser", wegen des Zusammentreffens der beiden großen Sunde hinter Cape Peron.

Immerhin: Ganz ist Gathaagudu nicht verschwunden. Bloß heißt es jetzt Shark Bay und ist Unesco-Weltkulturerbe - wegen der saftigen Seegraswiesen, in denen sich ein Zehntel der gesamten Welt-Seekuh-Population tummelt. Wohl auch wegen der ältesten Lebewesen unseres Planeten, Urzeitalgen, die hier am Hamelin Pool weiterhin ihre Stromatholithen-Kolonien bilden - hartnäckiger als die gerade erst hundertfünfzig Jahre alten Orte des Hinterlandes, die zum Teil längst wieder in eine Art Dornröschenschlaf gefallen sind.

Northampton zählt zu diesen archetypischen Roadmovie-Locations, in denen das typische Wellblech und die weit vorgezogenen Schattendächer verschlafene Beefburger-Buden einrahmen - eine Art Nachspann zum Film "Australia". (Robert Haidinger/DER STANDARD/Rondo/17.4.2009)