Wo, zum Teufel, ist aber die Gartenkralle?

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Eines sollte man als Knecht seines Gartens möglichst schnell verinnerlichen: Die längste Zeit des Jahres dienen wir ihm. Nicht er uns. Der Garten schindet uns vielmehr, und gerade dessentwegen lieben wir ihn. Absonderlicherweise.

Zu den Osterfeiertagen zum Beispiel bot sich ihm wieder einmal eine grandiose Gelegenheit. Erstens ging exakt zu dieser Zeit der Winter in den Frühsommer über. Zweitens hatte sein Knecht, also ich, zu Ostern frei. Oder so ähnlich.

Andere mögen in derlei gesegneten Phasen auf weiche Kissen sinken, besinnlich in intelligenten Büchern blättern oder ganz einfach der Ruhe pflegen und köstlich lang sündig in den Tag hinein schlafen.

Himmlische Mächte

Unsereiner hingegen federt vom ersten Vogelgebrüll geweckt hastig aus den Pfühlen, streift die Arbeitskluft über und wandert mit dem Kaffeehäferl in der Hand bereits in der Morgendämmerung durch das Gestrüpp, das so ein Garten nach einem langen Winter darstellt. In diesen Momenten ist der Gartenknecht vor allem auf der Suche nach dem Plan. Ophelia gleich irrt er rast- und ziellos über die Scholle: "Himmlische Mächte, stellt ihn wieder her!"

Aber wie? Wie soll das alles bewerkstelligt werden? Geht sich vor Juli nie im Leben aus. Dort sind die Rosen zu schneiden, hier die Unkräuter zu rupfen. Da ist die Rasenkante abzustechen, dort das Gemüsebeet zu sanieren. Die Wege müssen gerecht werden, die Blumenrabatte gebürstet. Der Komposthaufen ist ein mehrere Tage füllendes Thema für sich und der Topfgarten im Hof ebenfalls. Die Ribiseln hätten längst geschnitten, der morsche Marillenbaum der Ewigkeit überantwortet werden sollen.

Anklage an jedem Eck und End

Wo beginnen? Wie enden? Selbst die Flucht ins Haus endet mit Anklage: Dort stehen die vorgezogenen Pflanzen viel zu dicht in viel zu kleinen Töpfen und schreien danach, pikiert zu werden. Ich schreie auch, weil ich jetzt langsam irgendwie sinnvoll zur Sache kommen muss und mir einfällt, dass ich eigentlich längst hätten die Dicken Bohnen in die Erde bringen sollen, ganz zu schweigen von den Artischocken, die zu säen überhaupt vergessen wurde.

Das mit dem Plan gestaltet sich in so einem Garten also im Frühling schwierig. Er ist einfach zu fordernd. An allen Ecken und Enden. Auf dem Weg ins Gartenhaus, wo die Gartenschere für die Rosen liegt, fällt einem zum Beispiel ein, dass die gestern von der Nachbarin über den Zaun gereichten Lärchensporne noch nicht eingesetzt sind. Wird sofort nachgeholt. Also müssen Töpfe aus dem Keller geholt werden. Auf dem Weg dorthin wird man vom Giersch abgelenkt, der von gestern auf heute die Hasenohren überwuchert hat. Wo, zum Teufel, ist aber die Gartenkralle? Hinter dem Nussbaum wahrscheinlich, woselbst sich das Massaker des noch keineswegs entsprechend betreuten Himbeerschlags auftut. Drähte gehören hier gespannt, wo sind die? Gartenhütte. Ha! Dort war doch vor ein paar Stundenwas mit Rosenscheren gewesen, oder? (Ute Woltron/Der Standard/rondo/17/04/2009)