"Und ich hab doch recht gehabt."

Foto: Der Standard

+++Pro
Von Roman David-Freihsl

Wer sagt, er will nicht recht haben, der lügt. Aber das ist schon ein Wort zu viel. Es geht nicht ums Wollen. Einfach recht haben genügt. Wer nur will, der schwächelt schon. Und wer recht hat, behält es auch. So einfach ist das. Wer ein Rechthaber ist, merkt das recht früh. Unser Jüngster hat mit seinen vier Jahren am verwichenen Wochenende entdeckt, dass er ein Wissender ist. Dem Springinkerl wurde gerade beigebracht, dass man bei der Straßenbahnstation niemals über die gelbe Sicherheitslinie hupft. Der Belehrte hörte sich das an und erklärte nur pragmatisch: "Bei der nächsten Station gibt's keine gelbe Linie." Unmöglich. Jede Station hat eine gelbe Linie. Die Familie schaut also bei der nächsten Station zur Tür hinaus - und siehe: keine Linie. Zunächst war es ein stiller Triumph, den der Kerl genoss. Dann aber schaute er versonnen beim Fenster raus und murmelte: "Und ich hab doch recht gehabt." Ein Satz, der ihn noch Jahre begleiten wird. Und dem Papa wurde schmerzhaft bewusst, dass seine Ära als Rechthaber ein Ablaufdatum hat.

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Contra---
Von Karl Fluch

Prinzipiell gilt: Jeder will recht haben. Darum gibt es Online-Foren und ihre Poster, Polsterschlachten, Geschlechterkampf und Krieg. Und die Taliban und den Papst und Mathematiklehrer und - was wäre das große Leid ohne das kleine? - den gemeinen Besserwisser. Sie sind die Steine im Schuh des Alltags. Typen, die aus Prinzip nicht falsch liegen. Können. Es sind große Kinder, deren Eltern versagt haben, ihnen die Erkenntnis der Niederlage zu erklären. Dabei ist das Leben zu kompliziert, um immer recht haben zu können. Den Besserwisser kratzt das nicht. Bei Widerwort wird die Stimme erhoben oder - wie in der Tierwelt - der Brustkasten gebläht. Kleine scheußliche Egomanen, die insgeheim über ihr Elend Bescheid wissen, aber dann doch lieber die Betäubung dem Therapeuten vorziehen. Wenn's sein muss, täglich. Möchte man so sein? Man möchte nicht. Lieber irren, lieber nachgeben als irgendwann als asoziales Monster zu enden. Als jemand, dem man einen Wurstkranz umhängen muss, damit wenigstens noch die Hunde mit ihm spielen. (Der Standard/rondo/13/11/2009)