Die Möbelfamilie "Parcs" von Bene und ihre sehr unterschiedlichen Protagonisten. Formal im Vordergrund soll eine Vermischung von Arbeit, Heim und Entspannung stehen.

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DER STANDARD: Was wurde aus dem prophezeiten papierlosen Büro? Es scheint, als gäbe es mehr Papier denn je zuvor.

Lloyd: Ich glaube, diese Vorhersage bezog sich zu sehr auf technische Möglichkeiten, sie ignorierte aber gleichzeitig unsere Arbeitsmuster. Mittlerweile ist es offensichtlich, dass wir ohne die Sicherheit des haptischen, ohne die physische Erfahrung, reales Papier auszudrucken und zu lesen, nicht auskommen. Außerdem haben wir im Rahmen unserer Recherchen herausgefunden, dass gute Qualität im Zusammenhang mit neuen Arbeitsformen niemals nur durch Technologie zustande kommen kann.

DER STANDARD: Man sprach vor zehn Jahren auch gern von Dingen wie Thinktanks und Recreation-Zones. Wo sind sie geblieben?

Lloyd: Vor zehn Jahren war die Idee dieses "Break-outs" ziemlich neu, und die genannten Ausdrücke waren der Versuch, dem Bedeutung zu verleihen. Ich denke, ein großer Teil von alldem hatte lediglich symbolischen Charakter.

DER STANDARD: Dann hätten wir noch nonterritoriales Büro, Desk-Sharing, Heimarbeit. Was wurde denn daraus?

Lloyd: In der richtigen Art von Organisation sind diese Ideen immer noch relevant, aber statt um eine kompletten Revolution geht es eher um eine Serie verschiedener, kombinierbarer Lösungen. Unterm Strich gibt es keinen Zweifel daran, dass Menschen weiterhin zusammenkommen müssen, um zu arbeiten, und wenn es nur gelegentlich ist.

DER STANDARD: Und was wünschen sich der gemeine Bürohengst und seine Kollegin im Jahre 2010 wirklich?

Lloyd: Idealistisch betrachtet: Die beiden wollen Spaß haben, kreativ sein, nicht gelangweilt sein, sie wollen geschätzt werden, lernen, sich entwickeln und ihren Beitrag leisten.

DER STANDARD: Nehmen wir an, die beiden haben keinen Spaß. Kann die Büroumgebung etwas dagegen ausrichten?

Lloyd: Nicht wirklich, aber eine positive Stimmung in der Umgebung hat doch immer einen guten Einfluss auf die Gedanken der Menschen.

DER STANDARD: Was sind die größten Fehler, die Menschen im Büro begehen?

Lloyd: Sie sitzen zu lange vor ihren Computern.

DER STANDARD: Was ist das Neue an Ihrem System Parcs?

Lloyd: Möbel für Bereiche im Büro, die der Entspannung dienen, wurden schon während der vergangenen 20 Jahre entwickelt. Aber bis jetzt steckten sie in dem Korsett einer industriellen Kultur, aus der sie selbst stammen. Anders gesagt: Möbelmacher entwickeln weiterhin Lösungen für Möbel. Und der Gedanke, dass Arbeit und Spaß getrennt gehören, wurde ebenfalls weitergeführt. Parcs kann diese zwei Dinge auf eine neue Art und Weise verbinden.

DER STANDARD: Einige der Objekte aus der Parcs-Kollektion scheinen auf den ersten Blick besser in ein Wohnzimmer oder eine Bar zu passen als in ein Büro.

Lloyd: Es geht bei Parcs um eine sinnliche Vermischung von Arbeit, Heim und Entspannung. Es geht um die Erkenntnis, dass das Leben eine Mischung aus alldem ist. Vor allem für die jüngere Generation wird das immer wichtiger. Die alte Kultur des "Seriösen" am Arbeitsplatz verliert an Relevanz.

DER STANDARD: Apropos seriös: Wir sitzen hier in einem tonnenförmigen Häuschen aus der Parcs-Kollektion. Es heißt Toguna und erinnert irgendwie an ein Spielplatzobjekt.

Lloyd: Toguna schafft Möglichkeit für Kommunikation jenseits des Schreibtisches. Wir sitzen hier in einem Raum und besprechen etwas. Das wissen auch die Leute draußen. Trotzdem kann jemand vorbeigehen und Hallo sagen. Das Ganze schafft eine Art Durchlässigkeit, was hinsichtlich Kommunikation eine sehr positive Erfahrung ist.

DER STANDARD: Wie sieht es mit Privatsphäre aus?

Lloyd: Klar braucht es auch Räume, in denen man komplett akustisch abgeschlossen ist. Wollen Sie hier herinnen gefeuert werden?

DER STANDARD: Und wie kamen Sie auf die Form?

Lloyd: Meine Frau ist Anthropologin und forschte eines Tages in Westafrika, in Mali. Dort stieß sie auf Toguna. Das ist ein Ort, an dem sich die Stammesältesten treffen. So ein Ort ist nur einen Meter hoch, und man kann darin nicht stehen. Sollte also einer während einer hitzigen Diskussion auf die Idee kommen, unter Protest aufzustehen, haut er sich den Kopf an. Ich denke, diese Form beruhigt die Leute.

DER STANDARD: Welche Rolle spielt die Wirtschaftskrise im Zusammenhang mit der Entwicklung dieses Systems?

Lloyd: Wirtschaftliche Unsicherheit ist die Mutter der Innovation, weil sich die Menschen noch mehr bemühen müssen, noch größere Probleme zu lösen.

DER STANDARD: Wagen Sie eine Prophezeiung? Wie werden die Büros in 20 Jahren aussehen?

Lloyd: Sehr ähnlich den heutigen, aber mit fantastischeren iPhones und Parcs-Einrichtung. Abgesehen davon sind die Zeiten, in denen nur am unmittelbaren Büroarbeitsplatz gearbeitet wurde, vorbei.

DER STANDARD: Was ist das Erste, das Sie tun, wenn Sie in Ihr Büro in London kommen?

Tom Lloyd: Ich sage allen Guten Morgen und schau, ob's Kaffee gibt.

DER STANDARD: Und das Letzte?

Lloyd: Ich setze mir meinen Motorradhelm auf.
(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/27/11/2009)