Sebastian Horsley hat den Schlüssel zum Glücklichsein gefunden: "Vermeide alles im Leben, was dich festnageln könnte. Grundbesitz, Eigentum, Heirat, Kinder." Zum Glück hat er den Rolls schon vor einiger Zeit verkauft.

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Es gibt Begrifflichkeiten, die tragen den Geruch einer anderen Zeit in sich. "Dandy" gehört zu diesen Worten. Es evoziert einen Gecken, dem Stil über alles geht und der die Nase rümpft, verwechselt einer einen Cut mit einem Frack. Dandys sind Geschöpfe aus einer Zeit, in der es unschicklich war zu arbeiten, aber schick, einen aristokratischen Lebensstil zu imitieren.

Heute weiß kaum einer mehr so genau, was ein Dandy überhaupt sein soll. Außer Sebastian Horsley. Der britische Exzentriker mit dem langjährigen Drogenproblem und dem verspielten Vermögen bezeichnet sich selbst als "Dandy in der Unterwelt", und was er damit meint, ist in der gleichnamigen, politisch ziemlich unkorrekten und ziemlich großartigen Autobiografie nachzulesen (im vergangenen Jahr im Verlag Blumenbar auch auf Deutsch erschienen): "Der Dandy ist nichts anderes als der größte, beste und schönste Betrug überhaupt. Seine Doktrin ist lachhafter Dünkel." Oder in anderen Worten ausgedrückt: "Ein Mann, der kein Talent hat, muss einen Schneider haben."

69 Anzüge

Horsley hat einen ziemlich guten. Ganze neunundsechzig Anzüge hat ihm sein Schneider von der Savile Row bereits geschneidert, für alle Gelegenheiten einen. Damit kann sich Horsley sehen lassen - wären die Anzüge nicht allesamt etwas flamboyant geraten: "So wie ich aussehe, redet niemand mit mir über das Wetter." Horsley liebt es exzentrisch. Und definiert den Dandy der Neuzeit damit ganz anders, als dies seine Vorfahren im Geiste gemacht haben.

"Gut gekleidet sein, heißt nicht auffallen." Mit dieser Devise definierte Beau Brummell zu Anfang des 19. Jahrhunderts das Verhältnis des Dandys zu seiner Kleidung. Er führte in der besseren Gesellschaft Englands ungepudertes Haar, lange Hosen und gedämpfte Farben ein. Berühmt war er in erster Linie dafür, berühmt zu sein. Die Aristokraten schlug er damit mit ihren eigenen Waffen - und wurde so zur Identifikationsfigur des aufstrebenden Bürgertums.

Davon will Sebastian Horsley nichts wissen: "Dandys kommen immer aus der Mittelklasse. Sie sind Parvenus, aber sie sind keine Snobs. Insofern hat Brummell das Konzept des Dandys missverstanden: Ein Dandy bleibt auf der sozialen Stufe, auf der er geboren ist. Er will nicht hinauf, sondern zieht die anderen zu sich hinab."

Würdiger Sohn

Das hat im Fall von Horsley bisher ganz gut geklappt. Als Erbe eines milliardenschweren Vermögens (sein Vater baute Northern Foods auf) setzte er zwar die Pfunde seines Vaters in den Sand, war seinen alkoholsüchtigen Eltern aber ansonsten ein würdiger Sohn: Jahrelang crack- und heroinsüchtig arbeitete der heute 47-Jährige als männliche Prostituierte und nahm selbst oft die Dienste seiner Berufskolleginnen wahr. Moralische Fragen interessieren ihn wenig: "Das Einzige, an das ich wirklich glaube, ist, dass ich an nichts glaube." Oscar Wilde hätte das kaum besser sagen können.

Wahrscheinlich stammt der Aphorismus aber eh vom englischen Fin-de-Siècle-Autor. Mit Urheberrechten nimmt es Horsley nicht so genau. "Will man ein wirklicher Dandy sein, muss man all das aufgeben, was einen bindet: Sicherheit, Geld, Liebe, Kinder. Dandys schwanken zwischen Narzissmus und Nihilismus. Wirklich zugehörig fühlen sie sich nirgends." Vielleicht ist das der Grund, warum die Karriere eines durchschnittlichen Dandys seit den Tagen von Beau Brummell im Bankrott oder im Wahnsinn endet.

Der Körper wird überschätzt

Horsley hat zumindest Ersteres bereits hinter sich: "Ein Dandy zu sein, gleicht einem Geistertanz im Angesicht des Abgrunds." Die Tanzschritte beherrscht Horsley dabei perfekt. Seine Autobiografie liest sich wie eine etwas zu lang geratene Aphorismensammlung von Oscar Wilde gekreuzt mit einem Memoirenband von Jean Genet. Geschont wird dabei niemand, am wenigsten der Autor selbst, der das erste Mal auf sich aufmerksam machte, als er sich im Jahre 2000 auf den Philippinen im Rahmen eines Kunstprojekts kreuzigen ließ. Wegen seines Gewichtes hielten die Nägel allerdings nicht.

"Der Körper wird überschätzt", sagt er heute, "genauso wie die Kleidung. Einen Dandy erkannt man nicht an seinem Stil, sondern an seiner Einstellung." Sebastian Horsley vereint beides: "Natürlich ist es ein Anachronismus, wenn man sich heute als Dandy bezeichnet. Ich bin derjenige, der den Bus versäumt hat und der zu Fuß nach Hause geht." (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/15/01/2010)