Hier der "normale" Ingwer: Aber weiß zufälligerweise jemand, wo man den südindischen Mango-Ingwer herkriegen könnte?

Foto: Abbildung: Köhlers Medizinalpflazen

Als regelmäßige Konsumenten dieser Kolumne wissen Sie, dass es hier vor allem um eines geht: um Genüsse. Um leibliche und visuelle, um olfaktorische und kulinarische. Das Grünzeug rankt sich mit voller Absicht um alle Genüsslichkeiten, die sich überhaupt denken lassen. Warum? Weil alles andere komplette Lebenszeitverschwendung ist.

Nicht nur, vor allem aber im Winter empfiehlt es sich beispielsweise, regelmäßig mit vorfreudigem Schackern in geräumigen Blumentrögen zu buddeln, um an frische Ingwerwurzeln heranzukommen. Erdgebadete Köstlichkeiten sind das, verheißungsvolle Zutaten für Tees, Kekse, Currys, Shakes und andere experimentelle Gaumenkitzler.

Aadrak wird der Ingwer von den Punjabi genannt, Sinjibil von den Somaliern, Inji Ver von den Tamilen - woraus sich im Übrigen mit einigen Umwegen das britische "Ginger" ableitet. Die Briten haben als umtriebige Europäer den Ingwer dank ihrer kolonialen Talente als Erste in das eigene Kulturgut aufgenommen. Doch damit die unvergleichliche Wurze nicht den halben Globus umrunden muss, bis sie mich erreicht, bin ich zur Gegenkolonialisierung übergegangen und ziehe meinen Ingwer selbst. Nicht zuletzt, weil er ganz frisch unvergleichlich besser ist. Wer jemals gerade ausgebuddelten Ingwer zwischen die Zähne bekommen hat, wird sofort das Hohelied des großen Unterschieds anstimmen.

Das Großartige dabei ist die Entdeckung des Folgenden: Nicht alle Teile der Wurzel sind gleich. Die älteren Teile sind fasriger, trockener, schärfer, würziger. Die müssen in die Kochtöpfe, dort sind sie perfekt aufgehoben. Die jüngeren Wurzeln hingegen zeichnen sich durch einen frischeren, viel milderen Geschmack aus und sind zudem weit saftiger und fast faserfrei. Die müssen roh gegessen oder zu Tees verarbeitet werden. Auch das Kandisieren derselben soll machen, wer's beherrscht - und mir sogleich das Rezept übersenden, denn all meine Bemühungen in dieser Hinsicht schlugen bis dato eher ins Klebrige um.

Doch bevor all diese die Lebenszeit verschönernden Experimente zelebriert werden können, müssen Sie jetzt Folgendes tun: Sie erwerben den letzten plastikverpackten Ingwer für lange Zeit. Den teilen Sie in seine Segmente und versenken diese in nicht zu tiefe, jedoch möglichst breite Gefäße. Normale Blumenerde ist in Ordnung. Idealerweise versetzen Sie die aber mit etwas Sand.

Hell bis sonnig stellen und jeweils durchdringend gießen, wenn die Erde fast ausgetrocknet ist. Ingwer will saufen und dürsten, saufen und dürsten. Wenn er dann ausgetrieben hat, will er auch völlern. Also bitte regelmäßig düngen.

Wann der Austrieb erfolgt, ist unberechenbar. Es kann schon nach zwei Wochen passieren, oder erst nach fast zwei Monaten. Hängt vom Zustand der Ursprungswurzel ab. Die Pflanze schießt rund einen Meter hoch und kann ebenfalls fein geschnitten als Würzkraut verwendet werden. Schmeckt wieder anders gut. Erntezeit ist ab Herbst. Bis dahin hat sich der Wurzelstock verdrei- bis vervierfacht. Abschneiden und genießen! (Der Standard/rondo/22/01/2010)