
Ab Ende April gibt es bei H&M BlackBook-T-Shirts. Sie werden Eltern weniger gut gefallen.
Was das bringt, weiß Timon B. Schaffer.
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Der Name Sonia Rykiel gehört zu Mode wie Laufstege und Zickenkriege. Die französische Modeschöpferin designte für H&M erst diesen Winter eine eigene Kollektion - und bescherte dem schwedischen Textilriesen damit ein richtig gutes Geschäft. Ende April kommt jetzt die nächste Kooperation in die Filialen, jene mit BlackBook.
BlackBook, wer? Hinter dem kleinen Label aus Stockholm steckt der 19-jährige André Lorenz Stock, ein Schul- abbrecher, der sich auf T-Shirt-Design spezialisiert hat. Er hat ein Partizipationskonzept für H&M-Kunden entwickelt: User konnten bis Mitte Jänner 2010 ihre Lieblingsmotive auf die H&M-Homepage laden und bekamen so die Chance, dass ihr Sujet ausgesucht, von Stock bearbeitet und auf ein T-Shirt gedruckt wird - vorausgesetzt, die Sujets sind jugendfrei: "In meinen bisherigen Shirt-Entwürfen habe ich zum Teil schlüpfrige oder doppeldeutige Motive verwendet", so Stock, "das geht jetzt nicht mehr: Hasi & Mausi darf nicht Schweindi werden." Schließlich ist H&M der größte Textilkonzern der Welt. Der Stolz über die Kooperation steht Stock ins Gesicht geschrieben. Was aber, fragt man sich, will der schwedische Multi von einem T-Shirt-designenden Teenager?
Die offizielle Version, wie es zu der Zusammenarbeit kam, geht so: Der 19-jährige taucht bei H&M auf, stellt sein Label vor und schlägt eine Zusammenarbeit vor. Den H&M-Leuten gefällt Stocks Chuzpe - und der Deal wird fixiert. Ann-Sofie Johansson, der Chefdesignerin von H&M, hat eine ähnlich unkonventionelle Karriere hinter sich: "Während meines Design- und Kunststudiums habe ich in einer H&M-Filiale in Stockholm gearbeitet, anschließend habe ich mein Portfolio geschnappt und mich bei Margareta van den Bosch vorgestellt - und bin daraufhin Designerin im "Young Department" geworden.". Seit 2008 hat die ehemalige Shop-Mitarbeiterin van den Bosch als "Head of Design" abgelöst - diese ist aber immer noch als "Creative Advisor" tätig und für Projekte wie die Zusammenarbeit mit André Stock verantwortlich.
Nicht nur Mainstream
Ist es bei H&M also üblich, jungen Talenten einfach so eine Chance zu geben? Um diese Frage zu beantworten muss man ein bisschen ausholen. Seit ein paar Jahren scheint sich der Moderiese neben dem Mainstream-Markt auch für benachbarte Konsumentengruppen zu interessieren: 2007 wurde die dänische Tochter COS gegründet - mit Sitz in London (und keiner einzigen Filiale in Schweden) versucht man, eine klare Trennung zwischen Mutter und Tochter zu gewährleisten. COS soll, so die dänische Chefdesignerin Rebekka Bay, "stilvoll und zeitlos sein und klassische Schnitte, kombiniert mit hochwertigen Materialien, zu einem leistbaren Preis bieten." Eine Tochter also, um anspruchsvollere Kunden zu erreichen, denen H&M-Mode zu kurzlebig und qualitativ nicht hochwertig genug ist.
2008 hat H&M einen weiteren Markt erschlossen - den der Independent-Mode -, indem 60-Prozent-Anteile des schwedischen Dachverbandes "Fabric Scandinavia" gekauft wurden und so gleich drei Marken in das H&M-Konglomerat miteingebunden wurden: Weekday, Monki und Cheap Monday.
Der Vorstand von Fabric Scandinavia, Lasse Karlsson, betont, dass sich in die kreativen Prozesse der Marken niemand von H&M einmische, sondern lediglich die Produktion vom Mutterkonzern mitorganisiert werde, um Kosten einzusparen. "Weder musste jemand von unseren Mitarbeitern gehen, seitdem wir zu H&M gehören, noch mischen sich deren Chefdesigner in unsere Arbeit ein", so Karlsson. Die bisher nur in Nordeuropa existierenden Geschäfte bedienen einen alternativen Markt - Cheap Monday etwa mit seinen hautengen Jeans in diversen Waschungen und Färbungen ist für seine ungewöhnliche Preispolitik bekannt: Die hochwertig anmutenden Jeans dürfen nicht mehr als ca. 40 Euro kosten - es gibt aber bereits Modelle ab fünf Euro.
Warum setzt H&M nach mehr als 50 Jahren reiner Expansion von nur einer Marke plötzlich auf Ankauf bzw. Gründung von Tochterunternehmen? Womöglich haben sich diese Strategie der jetzige Geschäftsführer von H&M, Karl-Johan Persson, und sein Vorgänger Rolf Eriksen bei ihrem größten europäischen Konkurrenten abgeschaut, dem spanischen Inditex-Konzern. Dieser umfasst Marken wie Zara, Pull&Bear oder Massimo Dutti und hat 2006 H&M erstmals als Marktführer abgelöst.
Persson erklärt die veränderte Expansionsstrategie folgendermaßen: "Die Produktivität steigt, wenn mehrere Unternehmen ihre Produktion und Logistik zusammen abwickeln. In unserem Fall ist der gemeinsame Nenner der Unternehmen die Auffassung, dass Mode nicht nur für Eliten leistbar sein sollte."
Kampf Inditex gegen H&M
Die Rechnung scheint aufzugehen, denn H&M hat seit 2009 wieder die Nase vorn und erfreut sich nach eher matten Geschäftsjahren wieder besserer Bilanzen. Für 2010 sind bis zu 240 Neueröffnungen geplant. Hauptgrund für das Umsatzplus sind jedoch nicht die Tochterunternehmen, sondern die Eröffnung neuer Filialen und die Zunahme des Online-Shopping-Segments, in das z. B. Zara vom Inditex-Konzern bislang noch nicht vorgedrungen ist.
Der Kampf von H&M gegen Inditex bestimmt mittlerweile den Markt der "schnellen Mode". Ähnlich wie im Luxussegment teilen sich zwei bestimmende Konglomerate (dort sind es LVMH und die Gucci-Group) den größten Teil des Kuchens untereinander auf. Skeptiker kritisieren, dass die Vielfalt am Modemarkt darunter leide. Eine Sorge, die André Lorenz Stock jedenfalls nicht hat: Ohne H&M würde er noch immer hauptsächlich für seine Stockholmer Freunde T-Shirts bedrucken. Jetzt freut er sich, dass seine jugendfreien T-Shirts bald auch in Wien, Kuala Lumpur und Boston getragen werden. (Timon B. Schaffer/Der Standard/rondo/16/04/2010)