Hotel Mama ist nicht nur der Titel mehrerer schlechter deutscher Komödien, so nennt man auch einen fragwürdigen Lebensentwurf.

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+++Pro
Von Ronald Pohl

Niemand, wirklich niemand hat den Menschen dazu bestimmt, erwachsen zu werden. Erwachsen sind vielleicht Abteilungsleiter – meinetwegen Weichensteller, Hersteller von Backmischungen oder jene meist schlohfarbenen Experten, die dem Chaos der griechischen Volkswirtschaft einen tiefen, im Urschlamm der Moussaka-Zubereitung nistenden Sinn abgewinnen. Mutter würde nie ein Moussaka zubereiten. Mutter blickt durch fliederfarbene Stores, sooft ihr Kind auf die andere Straßenseite hinübertritt. Sie weint, weil sie sieht, wie der Sohn mit der Baseballkappe auf dem Schopf (was sträubt er sich nur so gegen das Kämmen?) Hosen trägt, die – obzwar auf Halbmast gehängt wie die Fahne einer früheren Sowjetrepublik – seine Gesäßfalte freilegen. Der Bub seufzt nur, wenn er sie sieht. Mutter zerknüllt das Papiertaschentuch. Er wird Bobo werden, beschließt sie für sich. Er wird Latte macchiato trinken, kreativ sein, MGMT hören und den Laptop vor ihr aufklappen. "Er ähnelt mir ja doch", denkt sie, wieder Mut fassend.

Contra---
Von Karl Fluch

Hotel Mama ist nicht nur der Titel mehrerer schlechter deutscher Komödien, so nennt man auch einen fragwürdigen Lebensentwurf, der die Revolution der Pubertät als langsam aufkeimende und notwendige Abnabelung von den Erzeugern ignoriert. Das führt mittelfristig zwar zu einem Made-im-Speck-Dasein, das relativ frei ist von banalen Alltagsverantwortungen wie Kochen, Waschen, Aufräumen oder Sich-selber-Schnäuzen-Müssen: "Mutti, es rinnt schon wieder!"

Längerfristig aber rächt sich die Unfähigkeit, den Arsch in ein eigenes Leben zu erheben. Nicht nur, dass sich das Hotel Mama als wenig akzeptabel für dort eventuell eincheckende Geschlechtspartner erweist, spätestens wenn Mama ihrem vermeintlichen Lebensinhalt nicht mehr so gut nachkommen kann, wird der Daueruntermieter selbst in die Pflicht genommen. Dann wird's tragisch. Plötzlich soll das Burli oder das Mädi für die Eltern sorgen, dabei kann er oder sie ja nicht einmal auf sich selber schauen. Dann schon lieber die Emanzipationskriege mit all ihren Narben. (Der Standard/rondo/07/05/2010)