Johannes Gruber füllt seine Honige immer häufiger nicht nur nach Sorten ab, sondern auch nach der Lage, in der sie gesammelt wurden.

Foto: Katharina Seiser/www.esskultur.at

Johannes Gruber zieht mit seinen Bienen in Gegenden, die von industrieller Landwirtschaft noch kaum berührt sind.

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Das schmeckt man im Honig.

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"Honigverkostungen sind wie Süßweinverkostungen - bei beiden ist der Gaumen nach kurzer Zeit erschöpft." Akazienblüten- oder Edelkastanienhonig mit Trockenbeerenauslesen aus dem Seewinkel vergleichen? Wenn das Zitat von Johannes Gruber stammt, darf man ruhig genauer hinhören. Der 41-jährige steirische Wanderimker ist im Hauptberuf nämlich für den Vertrieb der vielfach ausgezeichneten Weine vom biodynamischen Weingut Meinklang aus Pamhagen im Burgenland verantwortlich. Kaum ein Lebensmittel spiegelt so sehr Boden, Lage und Witterung wie Wein.

Beim Honig ist der Standort genauso geschmacksentscheidend, bloß wurde das bisher nicht thematisiert, weder von den Imkern und Imkerinnen selbst noch von Gourmets und anderen Geschmacksprofis. Honig spielt in der Spitzenküche fast keine Rolle, er darf in Geflügelsaucen oder Desserts zum Einsatz kommen, manchmal auch in Kombination mit Käse. Mit einem Honigmenü auf höchstem Niveau hat noch niemand von sich hören lassen. Kein Wunder, der Pro-Kopf-Verbrauch liegt in Österreich konstant bei gerade einmal 1,2 Kilo pro Jahr.

Muskat, Orangen, feuchtes Moos

Frisch und kühl, kräuterwürzig, blütenduftig, nach Orangen- und Zitronenzesten, Salbei, Thymian und Minze - oder schwer, nach Muskatnuss, Karamell, Röstbrot, Malz, feuchtem Moos, Tabak und sonnengewärmten Fichtennadeln: Es sind sehr unterschiedliche Aromen, die in dem Dutzend Honige erkennbar sind, die Johannes Gruber vulgo Rennbauer anbietet. Keiner der Sorten- oder Lagenhonige ist indifferent, dumpf, mit scharfem Abgang oder nur breit und picksüß, wie man das von so vielen Honigsorten aus dem Supermarkt kennt. Mit zwei Völkern seines Vaters hat Gruber vor zehn Jahren angefangen. 120 Bienenvölker hält der Nebenerwerbsimker heute gemeinsam mit seinem Neffen in der Oststeiermark, alle nach Bio-Richtlinien. Dafür müssen zum Beispiel die Wachsplatten, die den Bienen meist als "Starthilfe" in die Wabenrahmen geklemmt werden, rückstandsfrei sein. Die Zargen (das sind die Kästen, in denen die Bienen wohnen und arbeiten) dürfen nur mit Leinölfirnis eingelassen werden.

Honigbienen haben einen Aktionsradius von maximal vier Kilometern. Jetzt im Frühjahr bringen sie die erste Tracht ein, die hier hauptsächlich aus Löwenzahnnektar besteht. Der Honig daraus wird kräftig-aromatisch schmecken. Die Bienenvölker sind erst im Aufbau, im Sommer werden sich bis zu 60.000 Bienen pro Volk eine Wohnung teilen.

Das Summen rund um die Stöcke nimmt nur dann eine tiefere, bedrohlichere Frequenz an, wenn der Imker zur Kontrolle kurz die Deckel der Zargen öffnet. Zugluft mögen die Tiere, die ihre Entscheidungen im Kollektiv treffen, überhaupt nicht. Johannes Gruber hält ausschließlich Carnica-Bienen und züchtet selbst nach. Diese heimische Rasse gilt als sanftmütig und sehr ertragreich - aber auch als ziemlich schwarmfreudig: Im Frühling, wenn auch die Bienen besondere Energien verspüren, teilt sich der halbe Schwarm gern einmal ab und ist auf und davon, um sich ein neues Zuhause zu suchen. Gute, aufmerksame Imker und Imkerinnen merken aber, wann es Zeit wird, das Volk zu teilen und für eine neue Heimat zu sorgen.

Von Reinzuchtköniginnen aus Brut-anstalten und künstlichen Besamungen, wie sie auch in der Bienenzucht längst Usus sind, hält Gruber nichts. Er wäre auch bei fürstlicher Bezahlung nicht bereit, seine Bienen als Bestäuberinnen für landwirtschaftliche Nutzflächen zu vermieten: "Das brauchen nur jene, die intensive, industrialisierte Landwirtschaft betreiben. Dort stelle ich meine Bienen sicher nicht hin." Da erübrigt sich die Frage, was der Bio-Imker von jenen insektiziden Maisbeizmitteln hält, die vermutlich für den Tod vieler Bienenvölker verantwortlich sind. Oder von Antibiotikagaben bei Feuerbrand im Obstbau, deren Rückstände im Honig nachweisbar sind.

Landschaft im Honig

Blütenhonig stellen die Bienen aus Nektar her. Waldhonig - dem Johannes Grubers Leidenschaft gilt - wird von Läusen auf Nadelbäumen vorverdaut und somit quasi doppelt umgesetzt. Das erste Mal von Läusen wie der Rotbraun Bepuderten Fichtenrindenlaus und anschließend noch einmal von der Honigbiene, die diesen Honigtau wie Nektar einsammelt. Das gibt natürlich ein anderes Geschmacksspektrum im Honig.

Während Honig im Allgemeinen meist nach Sorten angeboten wird, so geht Johannes Gruber seit einiger Zeit auch einen anderen, neuen Weg: Lagenhonig. Honig, der wie ein geschmackliches Abbild der Gegend funktioniert, in der die Bienen ihn gesammelt haben. Während der Begriff des Terroirs beim Wein, aber auch bei anderen Lebensmitteln wie Käse, Obst, Öl oder sogar Wurst längst etabliert ist, gilt er in der Imkerei noch als vergleichsweise exotisch. Gruber hat derzeit zwei verschiedene Gebirgswald-Lagenhonige im Sortiment. Einen Teil seiner Völker bringt er im Sommer in den Naintschgraben, eine Höhenlage nordwestlich von Weiz zwischen 600 und 1100 Metern mit hauptsächlich Fichtenbestand, die schon sein Vater bewandert hat. Der von dort stammende Waldhonig hat etwas erfrischend Zitrusfruchtiges.

Die zweite Lage, Stuhleck, ist ein Ausläufer der Fischbacher Alpen. Der Wald auf 1200 m Höhe ist zu etwa einem Drittel auch mit Weißtannen bewachsen. Die andere Lauspopulation lässt den Honig aus dieser Gegend schwerer, würziger und mehr nach Wald und Moos schmecken. Das reicht dem "Honig-Extremisten", den eindimensionale, austauschbare Honige langweilen, aber noch nicht.

Er gibt jeweils einen Teil seiner Lagenhonige in die Stöcke zurück, und zwar erst dann, wenn keine andere Tracht mehr zur Verfügung steht. Die Bienen setzen ihren eigenen Honig ein weiteres Mal um. Der Imker bekommt dafür weniger, aber hochkonzentrierten Honig, den er folgerichtig "doppelt fermentiert" nennt. Diese beiden Essenzen vom Naintschgraben und vom Stuhleck mit ihrem facettenreichen Aromenspektrum und dem langen Abgang lassen eine Ahnung von dem zu, wie Landschaft im Honig schmecken kann. Johannes Gruber, der am liebsten neben seinen Bienenvölkern sitzt und längerfristig auch zur Gänze von ihnen leben möchte, denkt schon über weitere Lagen nach - und über einen Jahrgangshonig, den er an einem fixen Standort nur einmal im Jahr schleudern will. Mit dem Know-how, das er im vergangenen Jahrzehnt gewonnen hat, hält er nicht hinter dem Berg. Jene zwei Wollschweine, die im Sommer Grubers neuen Wohnort in St. Magdalena am Lemberg aufwühlen und den zwei Dutzend Bienenvölkern dort Gesellschaft leisten werden, bezahlt er dem Biobauern in Form von zwei Bienenvölkern samt 14-tägigem Einführungskurs. (Katharina Seiser/Der Standard/rondo/21/05/2010)