Die Leuchten "Allegro" und "Allegretto" für Foscarini.

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Das Headquarter, ein ehemaliges Motel, jetzt "Moitel".

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Dreimal Hans-Dampf-in-allen-Design-Gassen: links Aurel Aebi, Armand Louis (Mitte), rechts Patrick Reymond.

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Sie drehen sich mal langsam, dann wieder ganz schnell: Die an der Decke hängenden Stoffobjekte wirbeln wie Röcke durch die Luft. Die unterschiedlichen Ausschnitte des Stoffes bestimmen die Bewegungen, denen man gebannt folgt. Alles verdoppelt sich in den Spiegeln am Boden - ein Feuerwerk in Rot und Fuchsia. Man denkt an Flamencotänzerinnen, aber auch an Derwische.

Mit der Installation Les Danseuses feierte das Westschweizer Atelier Oï Ende September seinen Umzug in neue Räumlichkeiten. Ein gelungener Auftakt für eine neue Ära der Designer aus La Neuveville. Schließlich demonstriert diese Arbeit sehr gut, wie das Team arbeitet. In Les Danseuses haben sich die Gestalter mit dem Thema Bewegung auseinandergesetzt. Ob daraus ein Ventilator wird, eine Leuchte oder gar eine Schale ist offen. "Es ist nur der Anfang einer Geschichte", sagt Aurel Aebi, Mitbegründer von Atelier Oï. Seit 18 Jahren arbeitet er gemeinsam mit Patrick Reymond und Armand Louis. Ihr Name ist Programm: Atelier Oï leitet sich aus dem Doppellaut von Troika ab, dem Dreigespann vor einem Karren. Patrick Reymond und Aurel Aebi studierten zusammen an der Architektur- und Designschule Athéneum in Lausanne. Ein Wettbewerb brachte sie mit dem Bootsbauer Armand Louis zusammen: Das Bett Lit dive (1991) entwarfen sie aus gebogenem Holz. Arbeitete das Trio anfangs häufig ohne Mandat, sind sie heute eines der erfolgreichsten Designkollektive der Schweiz.

Im Dazwischen liegt oft das Wesentliche

Von La Neuveville aus bestücken sie die Welt. Ihre Projekte umspannen, wie eine Weltkarte eindrücklich zeigt, den Globus - von Kiew über Toronto bis Schanghai. Ein Umzug stand nie zur Debatte. Im Gegenteil: Die Lage des ruhigen Winzerstädtchens zwischen Bielersee und Jura - direkt am Röstigraben - sei ideal, erklären die Gestalter. "Im Dazwischen liegt oft das Wesentliche", sagt Aebi. Das gilt auch für ihre Arbeit. Das Trio bewegt sich zwischen den Disziplinen: Sie sind Architekten, Innenarchitekten, Szenografen und Designer. Sie entwerfen Möbel und Leuchten für Röthlisberger, Wogg, B&B Italia, Ikea und Foscarini. Sie inszenieren Ausstellungen und konstruieren Einfamilienhäuser, sie gestalten für Uhrenmarken wie Swatch, Breguet und Audemars Piguet Messestände, Shops und Showrooms. "Anfangs konnte man uns nicht recht einordnen", sagt Aebi.

Inzwischen ist aus dem Dreiergespann ein Team von 30 Mitarbeitern geworden. "Wir sind auf einer gestalterischen Reise", sagt Aebi. Ihre Angestellten - Architekten, Innenarchitekten und Designer, aber auch Landschaftsarchitekten und Hochbauzeichner - begleiten die drei eine Zeitlang, bevor sie weiterziehen. Das neue Domizil spiegelt diese temporäre Zusammenkunft wider: Sie haben die zu klein gewordene Uhrmacherfabrik gegen ein ehemaliges Motel getauscht. Das langgestreckte Gebäude aus den 1960er-Jahren stand seit 2002 leer. Atelier Oï erwarb den denkmalgeschützten Bau und brachte auf 900 Quadratmetern die neue Schaltzentrale unter. Das Moïtel ist Atelier, Materialsammlung, Bibliothek, Showroom, Modellbauwerkstätte und Laboratorium in einem. Ein Zimmer wurde - als Reminiszenz an den ehemaligen Motelbetrieb - konserviert, um Praktikanten oder auch Kunden unterzubringen.

In den Nischen findet man Objekte, Prototypen und Materialstudien. Hier wird deutlich, wie viel Engagement Atelier Oï in Experimente und konzeptuelle Arbeit steckt. Aufträge für große Häuser, für die das Studio immer häufiger tätig ist, geben ihnen den Freiraum dafür. "Wir arbeiten nach dem Hefe-Prinzip: Ein Projekt führt zum nächsten", sagt Aebi. So erkundeten die Gestalter zum Beispiel intensiv die gestalterischen Möglichkeiten der Kordel. Seile winden sich da zur Garderobe und schlingen sich zur Sitzgelegenheit, die Kordel wird sprichwörtlich zum roten Faden in einer Ausstellung, Schnüre umspannen wie eine Nähgarnspule die Hocker Reel (2009) für B&B Italia.

Kreative Kettenreaktionen

Durchexerziert wird auch das Thema Stäbe: Bronzefarbene Stangen prägen die Breguet-Shops weltweit, aus Stäben sind auch die Leuchten Allegro (2009) für Foscarini. Kreative Kettenreaktionen, nennt dies Aurel Aebi. Neuerdings haben sie das Material Glas erkundet. Anlass war ein Auftrag von Bulgari, einen Flacon für das Parfüms BLV II zu entwerfen. "Wir mussten einen Duft in Szene setzen, ein ebenso flüchtiges wie kostbares Gut."

"Unser reicher Fundus an Themen, Strukturen und Materialien ist Nahrung für unsere Projekte", sagt Aebi. Auch 2010 steht der Mehrkampf im Vordergrund. Für die Designkollektion von Möbel Pfister entwerfen die wandelbaren Gestalter gemeinsam mit Kollegen wie Alfredo Häberli Möbel und Leuchten und für Louis Vuitton ersinnen sie ebenfalls Wohnliches, im Auftrag des Zürcher Landesmuseums inszenieren sie eine Ausstellung über das Wohnen. Und die tanzenden Derwische? Wer weiß. "Die Reise geht weiter", sagt Patrick Reymond. (Andrea Eschbach/Der Standard/rondo/28/05/2010)