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Amphoren aus Ton werden in Georgien, einer der Wiegen des Weinbaus, seit 5000 Jahren verwendet. Friulanische Winzer wie Josko Gravner machen damit Weine von ganz außergewöhnlicher Qualität und Spannung.

Amphorenweine einfach unkommentiert auf den Tisch stellen geht gar nicht. Denn Weintrinken hat sehr viel mit Gewohnheiten zu tun. Und Weine, die in Amphoren vergoren und gereift wurden, riechen und schmecken völlig anders als alles, das über die Jahre des Weintrinkens gelernt wurde und für gut befunden wurde. Unter den Besuchern der kürzlich zu Ende gegangenen österreichischen Weinmesse Vie Vinum waren sie Gesprächsthema Nummer eins. Kein Wunder, ihr Geschmack polarisiert: Die Weine seien fehlerhaft oxidativ, werfen önologisch-technisch Orientierte ein. Das andere Lager sah darin Experimentierfreude, das Ausweiten von Geschmacksgrenzen und Genusserlebnisse der anderen Art.

Zunächst einmal sind sie deutlich dunkler, als man bei Weißwein erwarten würde: bernsteinfarben und nicht zartgelb. Der Duft erinnert an Walnüsse, die bereits länger gelagert wurden, daran, wie Weine riechen, die in halbvollen Flaschen wochenlang in der Sonne herumstehen und an denen der Sauerstoff bereits ordentlich genagt hat. Und trotzdem haben sie etwas Faszinierendes: Die besten unter den Amphorenweinen haben neben einer Duftintensität, die sich jetzt nicht in die übliche Aufzählung von Obstsalataromen packen lässt, eine innere Spannung und Lebendigkeit, die mit Begriffen wie Balance, Mineralität und Harmonie des Zusammenspiels zutreffender beschrieben wird.

Mehr Authentizität

Gleich mehrere österreichische Winzer, die sich in den letzten Jahren der Biodynamie zugewandt haben, suchten nach Möglichkeiten, um ihren Weinen noch mehr Authentizität zu verleihen: Ihr Zugang bedeutet minimalste Eingriffe in die Vorgänge der Weinwerdung und darf durchaus als Gegenbewegung zum früher weit verbreiteten Glauben an Reinzuchthefen, Edelstahl und Temperaturkontrolle verstanden werden. Auf der Suche nach urtümlicher Natürlichkeit kamen sie auf die Uralt-Ausbauweise in der Amphore. Bekanntestes internationales Vorbild ist Josko Gravner aus dem Friaul, der seit mehr als zehn Jahren damit arbeitet und mit seinen "Anfora"-Weinen zum Beispiel im Gambero Rosso, einem bekannten italienischen Weinführer, höchste Auszeichnungen einfuhr und 2007 auch "Winzer des Jahres" wurde.

Technisch gesehen reicht es allerdings nicht aus, sich im nächsten Baumarkt eine Blumentopf-Amphore zu besorgen und die im Garten zu vergraben. Einige der hierzulande für Wein verwendeten Gefäße kommen aus Georgien, wo die Kunst der Herstellung über Jahrtausende perfektioniert wurde, auch wenn es heute dort immer weniger Handwerker gibt, die sie beherrschen. Die Amphoren ("kvevri") sind speziell dünnwandig und fassen dennoch 2000 Liter Flüssigkeit und mehr, ohne zu zerbersten.

"Die Dünnwandigkeit ist notwendig für den Austausch mit den Energien der Erde wie der Kälte des Winters zum Beispiel", erklärt Sepp Muster aus dem südsteirischen Leutschach, der seinen derart hergestellten Wein "Erde" nennt. Auch große Literkapazitäten seien wichtig, um die Eigendynamik besser halten zu können, die ein Wein bei der Gärung und dem weiteren Weinwerdungsprozess entwickelt. Rebsorten und ihr typischer Geschmack werden dabei nicht herausgearbeitet, obwohl Sorten gewählt werden, die regional gut passen.

100-prozentig einwandfreie Trauben

Während es bei Sepp Muster Sauvignon Blanc und Morillon sind, ist es bei Bernhard Ott aus dem niederösterreichischen Feuersbrunn Grüner Veltliner. 100-prozentig einwandfreie Trauben wurden nach der Lese in Amphoren verschiedener Größen (zwischen 500 und 2500 Kilogramm Fassungsvermögen) gegeben, die unter einem Flugdach in die Erde eingegraben wurden, verschlossen und nach fünf Monaten wieder aufgemacht. Der Wein vergor von selbst, durchlief alle notwendigen Prozesse und wurde auf die natürlichste aller Arten geklärt: Die Trubteilchen schwebten per Schwerkraft zu Boden und setzten sich dort ab. Die Trauben waren dabei rund ein halbes Jahr in Kontakt mit den Beerenhäuten, was für Weißwein völlig ungewöhnlich ist, bei Rotwein in klassischer Herstellung über einen kürzeren Zeitraum üblich.

"Man kann nur Ausgewähltes einfüllen, da man in die Dinge, die da ablaufen, nicht mehr eingreifen kann", erklärt Ott. "Stressig gewachsene Trauben zum Beispiel schlagen sich in Bittertönen nieder." Otts Wein ist tatsächlich etwas Besonderes: Er ist bernsteinfarben, riecht nach frisch angeschnittenem Brot und Walnüssen und überzeugt mit tiefer mineralischer Salzigkeit und eleganter Würze, in die man durchaus etwas Schwarzpfeffrig-Veltlinerisches hineininterpretieren kann. Für Ott ist es die authentischste Art der Weinwerdung überhaupt: "Vergoren wird mit den Hefen, die die Trauben mitbringen, und in dem Rhythmus, den der Wein mit Ablauf der Jahreszeiten selbst entwickelt."

Klassische Wein-Verkostungszugänge muss man beim Trinken generell wegschalten. "Es geht um eine weitere Dimension eines Genuss-Erlebnisses", erklärt Sepp Muster die philosophische Seite seines Zugangs, "darum, in sich selbst etwas zu spüren, das einem wohltut." Und es gehe sicher nicht darum, etwas in andere Gefäße zu füllen, nur der Andersartigkeit wegen. "Wein generell ist ein weiter Bereich, um Genuss zu erleben. Und Genießenkönnen fördert die Aufmerksamkeit und die Wahrnehmung. Das ist doch immer gut!". (Luzia Schrampf/Der Standard/rondo/25/06/2010)