
Eine Umweltkatastrophe als Set - darf man das?
Es war irgendwann in den Neunzigern, als die Beilage einer großen deutschen Tageszeitung die aktuelle Mode in der Kulisse eines Asylantenheimes präsentierte. In teurer Designermode stand das Model (es handelte sich um den Modechef der Vogue) in den ärmlichen Fluren des Heimes. Der Aufschrei war laut, vor allem unter den Kollegen aus der Modebranche.
Jetzt gehen die Wogen wieder hoch. Eine Bildstrecke des Fotografen Steven Meisel in der August-Ausgabe der italienischen Vogue zeigt das Model Kristen McMenamy, das an einem von Teer und Öl verschmutzten Strand sein Leben aushaucht. Sein Federkleid ist ölverschmiert, der Schmutz tropft ihm von der Nase, die Beine haben sich in ein Fischernetz verwickelt. "Water & Oil" ist die Strecke überschrieben, und wieder fragen sich die Kommentatoren: Ja, darf man das? Darf die Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko zum Sujet einer Modeproduktion werden?
Schöner Schein um schönes Sein
Klar darf sie. Wer anderes behauptet, degradiert die Mode zur reinen Dekoration. Zu einer netten Belanglosigkeit.
Dass das immer wieder passiert, ist nur teilweise dem Blick von Außen geschuldet. Das eigene Leichtgewicht hat sich die Mode selbst zuzuschreiben. Sie ist es, die die Welt des schönen Scheins um ihrer selbst Willen zelebriert. Das macht die jetzige Diskussion auch so verlogen. Da steht die gute Mode, die wie ein Kind auf ihr Recht zum künstlerischen Selbstausdruck pocht. Warum fragt man sich, nimmt sie sich dieses Recht nicht einfach? Und zwar nicht einmal im Jahr, sondern immer wieder? Nur wer selbst an seine Relevanz glaubt, sollte das auch von anderen verlangen. (Stephan Hilpold/DER STANDARD/rondo/20/08/2010)