+++Pro
Von Roman David-Freihsl
Büroschlaf ist ein Akt des Widerstandes, ein Aufbäumen des Individuums gegen das gleichmachende Funktionieren-Müssen in unserer Gesellschaft. Ein Verweigern der Reduktion des Menschen auf die alles bestimmende Maßeinheit Produktivitätsfaktor.
Soviel zur Theorie. In der Praxis wissen passionierte Büroschläfer genau, dass die entscheidenden Voraussetzungen für einen gelungenen Büroschlaf die richtige Strategie und eine entsprechende Infrastruktur sind. Zuerst einmal beschwert man sich nachhaltig über die unerträgliche Akustik im Großraum-Büro. Halbhohe Trennwände werden aufgestellt – der Schläfer ist optisch geschützt. Dann werden Lautsprecher für den PC angeschafft. Jedoch nicht für die Beschallung mit einer Schlummer-Melodei. Auf www.freesound.org kann man es runterladen: das "keyboard-typing.wav". Und während die Lider sinken, ertönt weiter emsiges Getippsel, das rundum schlechtes Gewissen verbreitet. Diese wav-Datei wurde übrigens schon mehr als 13.000-mal runtergeladen. Noch Fragen?
Kontra---
Von Sigi Lützow
Der Schlaf im Büro, also das fürstlich entlohnte Nichtstun während der ohnehin moderaten Arbeitszeit, sehr geehrter Herausgeber, brillanter Geschäftsführer, anbetungswürdige Chefredakteurin, ist strikt abzulehnen. Schon gibt es Legionen sogenannter Wissenschafter, die diesen Raub am Firmenvermögen nicht nur eiskalt gutheißen, sondern auch noch empfehlen. Erhöht die Produktivität, sagen sie. Fördert die Kreativität, befinden sie. Scharlatane sind sie alle!
Ein Schläfchen da, ein Zigaretterl dort, endloses Geplausche am Gang – am Ende bleibt nichts mehr übrig vom jämmerlich kurzen Arbeitstag. Und in der großzügig bemessenen Mittagspause? Da wird schamlos gefressen und gesoffen, statt, wenn's denn unbedingt sein muss, kurz in Morpheus' Arme zu sinken. Freilich, um redlich ihr Brot erwerbende Kollegen zu verhöhnen und abzulenken, fehlt es nie an Munterkeit. Und dann wird mit Hallo aufgebrochen, oft schon nachmittags, den Feierabend zu begießen bis tief in die Nacht hinein. Geschlafen wird ja ohnehin im Büro. Eine Sauerei das, Chefs! (Der Standard/rondo/19/11/2010)