Als "ZiB"-Moderatorin Annemarie Berté 1976 zu dieser geblümten Bluse griff, stand ihr dabei noch kein Stylist zur Seite. Heute werden Moderatoren von Profis eingekleidet.

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Im Sommer dieses Jahres geriet der Wechsel der "ZiB-Ladys" zur Schlagzeile. Danielle Spera, jahrzehntelang Inbegriff der formvollendeten Nachrichtenmoderatorin, wurde abgelöst von einer Mittdreißigerin. "Tough, blond und korrekt", charakterisierte ein österreichisches Frauenmagazin Marie Claire Zimmermann, die Neue um 19.30 Uhr. Immerhin, der Wirbel um die neue Anchorwoman im ORF war vorprogrammiert: In Sachen Popularität können die männlichen Nachrichtenmoderatoren ihren Kolleginnen nämlich nicht das Wasser reichen.

Während allerdings schlecht sitzende Anzüge der Seriosität eines Nachrichtensprechers wenig antun, wird das Styling der ZiB-Lady allzu schnell zum Tritt ins Fettnäpfchen stilisiert - Zweifel an der Moderatorinnenkompetenz inklusive. Nicht selten wird über geschmacklosen Ohrschmuck oder ein schier altmodisches Styling gelästert - auch wenn es um nichts weniger als die Vermittlung der ganz großen Politik geht. Kurzum: Die ZiB-Ladys werden noch immer daran gemessen, ob ihr Auftritt am Bildschirm "ladylike" daherkommt. Dennoch haben sich die Zeiten geändert: Im deutschen Fernsehen provozierte Wibke Bruhns vor 40 Jahren als erste Nachrichtenfrau nicht nur mittels Kurzhaarfrisur und Nagellack, sondern allein durch ihre Bildschirmpräsenz.

Stilvoll, seriös und ablenkungsfrei

Heute sind solche Diskussionen um weibliche Kompetenzen obsolet. Hinsichtlich des Stylings der Damen und Herren im Nachrichtenstudio wird allerdings kein Detail mehr dem Zufall überlassen. Die Sender haben nicht zuletzt seit den Bemühungen der Privaten erkannt, dass eine professionelle Stylingbetreuung den Moderatoren guttut. Aber was heute einem Allgemeinplatz gleichkommt, war lange alles andere als das: Dem ORF waren bis Mitte der 1990er nur die Programmansagerinnen eine modische Betreuung wert. Nachrichtenmoderatorinnen hingegen durften sich noch damit begnügen, Schals mit Druckknöpfen in ihren Blazern zu befestigen.

Mittlerweile ist nicht nur auf dem Küniglberg, sondern auch im ZDF beflissene Professionalität eingekehrt. Seit dem Start des virtuellen Nachrichtenstudios im Sommer 2009 propagiert in Mainz ein sogenannter Styleguide die neue Sachlichkeit: Stilvoll, seriös und ablenkungsfrei sollen die Outfits der Moderatorinnen beim Öffentlich-Rechtlichen daherkommen. Moderatorin Marietta Slomka tritt im Heute-Journal meist in einer unauffälligen Blazerkombination auf, Schmuck und Accessoires sind quasi unsichtbar. Das Styling von ARD und ZDF bewertet ORF-Modechefin Ariane Rhomberg, die 40 weibliche Moderatorinnen betreut, als konservativ: "Es muss möglich sein, statt des Blazers einfach nur eine Bluse zu tragen." Der Blazer gehört jedoch auch beim ORF noch zum Alltag.

Kein Fauxpas bleibt verborgen

Dank erweiterter Kameraperspektiven sind die zunehmend stehenden Moderatoren von Kopf bis Fuß erkennbar. Kein modischer Fauxpas bleibt dem Zuschauer verborgen, schließlich wird jedes Detail auf Bildschirmgröße aufgeblasen und am Flachbildschirm im heimischen Wohnzimmer genussvoll auseinandergenommen. Die Vorliebe einer Lisa Gadenstätter für großgemusterte, überhüftlange Oberteile und auffällige Ketten wäre in Frontalansicht doch glatt unsichtbar.

Stellt sich die Frage: Inwieweit kommt in den bunten Hängerchen unter allerlei Jäckchen auch der private Geschmack der Moderatorin durch? Mit Kleidungsstücken, die nicht zum Stil der Moderatorin passen, auf Provokationskurs zu gehen funktioniere nicht, erklärt Rhomberg. Der persönliche Stil müsse in enger Zusammenarbeit gemeinsam entwickelt werden. Überhaupt ist die modische Betreuung der Moderationsoutfits ganz schön aufwändig: Täglich werden sie hergerichtet und per Zettel mit kleinen Anweisungen der Modechefin versehen: "Jede Moderatorin hat einen Kleiderschrank und holt sich da raus, was sie anziehen möchte." Und damit alles seine Ordnung hat, müssen die Unmengen an Kleidung inventarisiert werden. Wenn irgendetwas schiefgeht, geht schon einmal eine Notfall-SMS an die Modechefin.

Guter Schnitt mit dem gewissen Extra

Ganz so streng geht es bei ATV nicht zu. Während die Zuseher bei den Öffentlich-Rechtlichen besonders kritisch beäugen, in welche Outfits die Rundfunkgebühren investiert werden, gehen die privaten Sender an die Ausstattung ihrer Moderatorinnen vor der Kamera lockerer heran. Karin Boba, als Stylistin für ATV tätig, hält nichts davon, "Nachrichten-Moderatorinnen in konservative Kostümchen zu stecken, um ja nicht an ihrer Glaubwürdigkeit als Journalistinnen zu kratzen". Die Situation bei ATV ist bekanntermaßen auch hinsichtlich des Budgets eine andere als bei den Öffentlich-Rechtlichen.

Der Sender arbeitet mit einem Ausstatter, der als Leihgeber fungiert, zusammen und kombiniert mit Stücken aus dem hauseigenen Fundus. So stellt Boba nach einem Streifzug durch die Filialen des Ausstatters immer montags die Moderatorinnenoutfits für eine Woche zusammen. Ein guter Schnitt mit dem gewissen Extra sei dabei das A und O.

Auch hier geht es darum, die Moderatorin nicht zu verkleiden: "Anchorwoman Sylvia Saringer ist auch privat eine modebewusste Frau." An ihr würde ein Dreiknopfblazer verkleidet wirken, das wäre einfach nicht sie, so die Stylistin. Stattdessen trägt Saringer Blazer mit dezenten Flügelärmeln. Und da die Nennung von Sponsoren im Abspann von Politformaten sowohl bei ATV als auch dem ORF nicht gestattet ist, passiert es täglich, dass Zuschauer zum Telefonhörer greifen, um nachzufragen: Wo gibt's denn das zu kaufen? (Anne Feldkamp/Der Standard/rondo/17/12/2010)