Der "Wirt im Hochhaus" überrascht auf mehreren Ebenen:

Foto: Gerhard Wasserbauer

Nur ein Stockwerk, dafür eine fantastische Weinkarte.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Das Hochhaus in Micheldorf bei Kirchdorf an der Krems ist nur einstöckig und sieht im Wesentlichen nicht anders aus, als man sich ein traditionsverhaftetes Wirtshaus im Voralpenraum vorstellen mag. Es existiert halt schon seit sehr langer Zeit. Als es, irgendwann im 16. Jahrhundert, aufgestockt wurde, galt das in der Gegend noch als ungewöhnlich - daher der Name. Dass er sich bis heute gehalten hat, ist inzwischen wohl das eigentlich Ungewöhnliche.

In der holzgetäfelten Stube prasselt das Feuer im Ofen, eine Katze streicht schnurrend durchs Haus, vor den Fenstern sind die Hauskinder beim Rodeln zu beobachten: ein ländliches Idyll, kaum drei Kilometer von der Pyhrnautobahn entfernt. Die Gäste kommen zum größten Teil aus der näheren Umgebung, dabei wäre das, was aus der Küche und, ganz besonders, aus dem Keller kommt, allemal einen Umweg wert.

Alles andere als fad

Roland Linser stammt aus Kirchdorf, hat bei den Brüdern Obauer und im legendären "Real" in Vaduz gekocht und betreibt den über dem Kremstal gelegenen Gasthof schon seit sieben Jahren mit seiner Frau Sigrid. Dass die großen Gastroführer ihn bislang links liegen ließen, überrascht. Denn Linser kocht alles andere als fad.

Sein Entenlebertörtchen mit Portweingelee ist von zartem, kühlem Schmelz. Kabeljau wird mit Currylinsen kombiniert, deren fruchtige Säure sich dem Fisch sehr angenehm anzuschmiegen weiß. Lammhuft ist saftig auf den Punkt gebraten (siehe Bild) und mit Topinamburgröstl und kräftigem Thymianjus kombiniert - auch sehr gut. Richtig köstlich: die mürbe Hirschroulade mit einer Fülle aus Wurzelgemüse und herrlich dichtem Rotweinsaftl. Dazu gibt es eine Preiselbeerbirne, die, zum Glück, nichts mit ihren freudlosen Verwandten aus der Kompott-Konserve gemein hat: Bissfest im kaum gezuckerten Gewürzsud pochiert und mit herben, selbst eingekochten Preiselbeeren kombiniert. So lässt man sich Tradition gefallen.

Was aber wirklich fasziniert, ist die Vielfalt und Tiefe, die sich auf der Weinkarte auftun. Was da an toll gereiften österreichischen Rieslingen, aber auch an anderen großen Gewächsen aus weltbesten Lagen vorrätig ist, würde manch hochdekoriertem Restaurant zur Ehre gereichen. Und erst die Preise! (Severin Corti/Der Standard/rondo/17/12/2010)