Das schweißt zusammen: Nadja Kayali und ich haben schon einmal gemeinsam in der tadschikischen Hauptstadt in diesem komischen Hotel mit diesen komischen Blutflecken an der Wand gewohnt und den schönen Vers "Diarrhö in Duschanbö" gedichtet. Ja ja, das waren noch Zeiten. Lassen wir das. Jedenfalls essen wir nicht deshalb so gern miteinander, weil uns vor nichts mehr graust. Die Pasticcio-Köchin hat auch längst nicht nur Zentralasiatisches in der Pfanne, wie die Ö1-Hörer und -Hörerinnen wissen, und ich auch, und das nicht nur aus dem Radio, wo - unter anderem - die Wiener Musikwissenschafterin und Dramaturgin sendungsmacherisch werkt.
Also, etwas Gemischtes musste es sein, das war ihre selbstgestellte Aufgabe in meiner "Freunde bekochen mich"-Serie, denn so ist sie eben angelegt: eine der Omas deutsch-tschechisch, eine andere türkisch-arabisch, was zu einer österreichischen Mutter und einem syrischen Vater führte und zu einem deutsch-portugiesischen Ehemann, der hier gleich in die Handlung eingeführt sei, obwohl Portugal erst später in der Biografie auftaucht - aber bei dem folgenden Abendessen gleich beim ersten Gang.
Bacalhau-Börek mit einem Karottensalat mit Minze
Denn da gab es, richtig, gleich einmal Babö. Kennen Sie nicht? Na, Bacalhau-Börek, serviert mit einem Karottensalat mit Minze (bitte keine Pfefferminze), angemacht mit Olivenöl und Limettensaft. Ja, diese Börek-Dinger, die in den levantinischen Restaurants meist dick und zach sind, mit fadem Schafskas drin, was aber hier nicht der Fall war, denn sie waren hauchdünn und mit gschmackigem Baccalà gefüllt, Stockfisch, getrockneter Kabeljau, auf portugiesisch Bacalhau. Kayalische Kreation und Produktion.
Dazu hat sie den Baccalà, wie es sich gehört, 24 Stunden lang eingeweicht, dann gekocht und mit ebenfalls gekochten Erdäpfeln (weniger als Fisch, müssen Sie halt kosten) und Koriandergrün abgemischt, und ab in den Filo-Teig und in die Fritteuse. Von mir argwöhnisch beäugt und danach freudig hinter die Binde beziehungsweise den Rollkragenpulloverkragen geschoben.
Den Schafskäse gab es übrigens trotzdem, in Bällchenform, gerollt in Vogelfutter, wie Zaatar, die nahöstliche Gewürzmischung, chez Kayali heißt. Und Oliven, unter anderem solche, die der Papi außerordentlich gut in Öl und Zitrone eingelegt hatte (sie wurden in einem portugiesischen Schälchen serviert, während die arabischen ins portugiesische kamen), weswegen dieser, Vater Kayali, sofort angerufen wurde ... wobei er die Geschichte vom Vorfahren erzählte, der im 12. Jahrhundert am abbasidischen Hof in Bagdad als Erziehungsminister diente, bis er dem Kalifen zu mächtig und von diesem in die Wüste geschickt wurde, worauf er in die Gegend von Aleppo zog, offenbar mit einem goldenen Handshake, denn dort wurde er berühmt für seinen großen Getreidespeicher, aus dem er den armen Leuten gern ein Weizenmaß - das Kayl - abmaß, die ihn dann den Kayali nannten. Ja, so war das, in aller gebotenen Kürze.
Lammragout mit eingelegten Weichseln und Marillen
Während Nadja noch über den 800-jährigen Familienstammbaum meckert, weil da nur Männer vorkommen, ist schon die Hauptspeis' im Topf. Hier sind alle akronymischen Verrenkungen wie beim Babö vergeblich, denn sie heißt: Lammragout mit in Portwein eingelegten Weichseln und Marillen, begleitet von persischen Miniatur-Reistorten.
Und das geht so: Ein knappes Kilo Fleisch vom Lammschlögel (dessen Knochen Sie zerkleinern lassen und mit nach Hause nehmen) in Gulaschgröße schneiden, inklusive Knochen in Olivenöl anbraten, wieder herausnehmen. In demselben Öl drei in dünne Scheiben geraffelte Zwiebeln anbraten, Fleisch und Knochen wieder retour und auch gleich die Früchte und ihre Einweichflüssigkeit: Dazu wurden zwanzig Deka getrocknete Weichseln und zehn Deka getrocknete Marillen einen Tag lang mit Portwein bedeckt ziehen gelassen. Salzen und pfeffern und zwei Esslöffel Ras al-Hanout - ein marokkanisches Mischgewürz, in diesem Fall gekauft bei Babette's - hinein.
Das wird dann noch mit zuerst einer halben Flasche - danach nach Bedarf - eines portugiesischen Rotweins aufgegossen, dieser kam aus der Douro-Region. Und nicht zu vergessen die zwei getrockneten omanischen Limonen.
Wenn Sie statt Portwein Marsala nehmen und statt dem Portugiesen Chianti und Gemüsesuppe, wird's auch, lässt Nadja Kayali ausrichten. Das Ganze bleibt jedenfalls zwei Stunden bei niedriger Flamme auf dem Herd.
"Sauarbeit" auf Farsi
Die Reistörtchen sind eine andere Sache: Dazu wird der klassische persische Reis mit Kruste in kleine Formen übertragen, kleine Springformen etwa. Das ist nur etwas für Fleißige, denn der zuerst bissfest gegarte Reis wird zu diesem Zwecke in die Formen, deren Boden mit Olivenöl und Wasser bedeckt ist, umgefüllt, mit Löchern versehen, in die Butterschnitze gesteckt werden, jedes Packerl einzeln mit einem ins Geschirrtuch gewickelten Deckel verschlossen und eine Stunde bei sanfter Unterhitze auf den Boden des Rohrs gestellt. Was "Sauarbeit" auf Farsi heißt, weiß ich nicht.
Die Teller zierten dann auch noch Granatäpfelchenkernchen. Dass Nadja die Farbe ihres Pullovers mit ihnen abstimmte, ist gar nicht wahr. Schön war aber auch das Dessert: ein Pistazienparfait mit einem göttlichen Marillengatsch. Da konnte ich aber aus Erschöpfung nicht mehr mitschreiben, vielleicht weil da auch dieser brasilianische Zuckerrohrschnaps war ... Was Nadja Kayali sonst noch erzählte, weiß ich zwar noch, aber nicht mehr, was davon on und was off the records war. Ein Glück für uns beide, dass der Platz aus ist. (Gudrun Harrer/Der Standard/rondo/21/01/2011)