Mennoniten sind nur eine der Bevölkerungsgruppen des Karibikstaates Belize: Neben Mayas, Mestizos und Latinos gibt es auch die schwarzen Garifuna, deren Musikstil Punta Rock es bis in die Clubs von New York schaffte.

Foto: Belize Tourism/Juan-Carlos Cuellar/tonyrath.com

Belize ist wie geschaffen für Öko-Tourismus. Ob Treks in dichten Wäldern oder Pferdewandern im bergig-grünen Ignacio. Und dann gibt es da auch noch einen der größten Korallengärten.

Foto: Belize Tourism/Tony Rath/tonyrath.com
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Maya-Tempel in Caracol.

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Blaue Latzhosen tragen die Männer, und Bärte wie Ramses, die jetzt, im späten Licht, wie brennende Dornbüsche rötlich glühen. Meistens gehen sie in kleinen Grüppchen entlang, frischen "White Cheese" in der Hand, oder das Zaumzeug kleiner Rösser, die den altmodischen Kutschen ein, zwei Pferdestärken verleihen. Doch hyperventilieren müssen die Gäule nicht. Das Tempo, in dem Belizes Mennoniten die Wege Reisender kreuzen, ist nicht besonders hoch. Vielleicht warnen auch deswegen Verkehrszeichen mit stilisierten Doktor-Schiwago-Kutschen die Richtung St. Ignacio und Guatemala bretternden Trucks vor Mennoniten-Crossings.

Die Abzweigung nach Spanish Lookout ist so eine Ecke. Gut in Schuss gehaltene Holzhäuschen stehen neben dem geschotterten Landsträßchen, die himmelblauen Veranden lassen an Frau Holle denken - auch wegen der weißen Rembrandt-Häubchen, die solide Mennonitenmütter über den fahlblonden Zöpfen tragen. Auf kleinen Mauern räkeln sich Rosen, und die fetten Kürbisse wachsen wie die Hühner und Enten Richtung Komposthaufen und retour. Ein zeitverwehtes Idyll, freilich eines mit Schwielen an den Händen - und Füßen.

Agro-Spezialisten für Gottes freie Urnatur

Nach dreihundert Jahren, in denen sie quer durch Russland, Kanada, Mexiko wanderten, hatten die holländischen Siedler und Ultra-Reformisten 1952 auch Britisch Honduras erreicht, wie Belize damals hieß: Agro-Spezialisten für Gottes freie Urnatur, die die britische Kolonialregierung mithilfe billiger Grundstückspreise in das wenig entwickelte Land berief und die nun auf unkrautfreien Feldern Monokulturen von Bohnen, Mais, Sonnenblumen hegen, in ihren "Orange Galleries" mit Nudelwalkern aus Rosenholz aufreiben - als Souvenir.

Coolere Mennoniten-Gemeinden, wie jene von Spanish Lookout, verwenden dafür sogar landwirtschaftliche Geräte aus den Seventies - zum Entsetzen der konservativeren Brüder und Schwestern im weiter südlich gelegenen Barton Creek, einer Strom- und benzinpreiserhöhungsresistenten Gemeinde, die bis heute ohne neumodisches Energie-Teufelszeug auskommt.

Belize, das kleine mittelamerikanische Land, das seit 1981 auf selbstständig macht, wartet gerne mit solchen Überraschungen auf. Von Palmen und Lianen gerahmte Communities Plattdeutsch sprechender Mennoniten fallen zweifellos in diese Kategorie - und stellen trotzdem nur eine Facette innerhalb eines bunten, Mayas, Mestizos und Latinos umfassenden Bevölkerungsmosaiks.

Punta Rock der Garifuna

Auch die schwarzen Garifuna, Nachfahren afrikanischer Sklaven, haben eine Geschichte von Diaspora und Schiffbruch zu erzählen - und zwar im eigenen Idiom und durch einen besonderen Musikstil ergänzt: Punta Rock. Ein Sound, der es von den Küstenorten Dangrigia und Hopkins bis in New Yorker Clubs schaffte.

Better belize it. So lautet der offizielle Tourismusslogan des Minilandes, und damit sind keineswegs bloß die Mennoniten gemeint, deren Frauen man mühelos in Bruegels "Bauernhochzeit" einschmuggeln könnte. So viel steht schon nach den ersten Metern fest, wenn man das benachbarte mexikanische Yucatan hinter sich lässt und dann den unsichtbaren Desinfektionsmittel-Sprühkreis, den die Beamten der Grenz-Gesundheit um jedes Vehikel ziehen.

Basic ist Belize trotzdem, ein Land, das in eigenartiger Dissonanz von den Wegen des Pioniertums erzählt - auch daran gibt es keinen Zweifel. Dass sich eine einzige nennenswerte Hauptstraße durch eine wenig erschlossene Region kämpft, die bis heute zu zwei Dritteln ihr ursprüngliches Pflanzenkleid trägt, fügt sich bestens in dieses Bild. Und das gilt wohl auch für archäologische Maya-Stätten wie Lamanai, Caracol oder Lubaantun, die gleichmäßig über Belize verteilt, im Rahmen von pittoresken River Cruises (Lamanai) oder Security-Konvois (Caracol) erreichbar, künftiger Indiana-Jones-Generationen harren - während ein Ort wie das Cockscombe Basin Wildlife Sanctuary genügend Platz für das erste Jaguar-Schutzgebiet der Welt aufweist.

Öko-Tourismus

All das schreit regelrecht nach Öko-Tourismus. Wochenlange Treks in dichten Wäldern, etwa im ganz im Süden gelegenen Toledo District, Pferdewandern im bergig-grünen St. Ignacio zählen zu den Optionen. Und das gilt auch für die Korallengärten des größten Riffs der westlichen Hemisphäre, ein 160-Meilen-Kalkgerät, das sich praktisch über die gesamte Küstenlänge erstreckt - samt einem pudersandweißen Gürtel an Miniinselchen, den diversen Cays.

Placencia, der bekannteste Touristenort des Landes, liegt trotzdem auf dem Festland. Glaubt man dem Guinness-Buch der Rekorde, handelt es sich um den Ort mit der schmälsten Hauptstraße der Welt. Glaubt man den Kindern, die einem gerade entgegenkommen, hat Schwerverkehr prinzipiell Vorrang auf dieser Straße. Die Scheibtruhe, die sie vor sich herschieben, fällt zweifellos in diese Kategorie und hat, wie jeden Tag um halb vier, köstlich duftende Zimtschnecken geladen, die Spezialität von Miss Malloy.

Abenteuerspielplatz zwischen Kakaogärten und Korallen

Belize ist ein eigenartiges Land, ein rar gewordener Abenteuerspielplatz zwischen Kakaogärten und Korallen, der mitunter anrührt. Nicht nur wegen der Zimtschnecken in der Scheibtruhe und der Sorgfalt, mit der Placencias härteste Zimtschnecken-Konkurrenz, nämlich "John the Bakerman", potenzielle Kunden im Rahmen von "Find da Shop"-Schnitzeljagden durch die tieferen Eingeweide des Fischerdorfes leitet, an pastellgrünen Hinteransichten von karibischen Hütten vorbei, über Placencias kleinen verschlafenen Friedhof, und nebst einem Baum, auf dem "Tree of Wisdom" gepinselt steht.

Irgendwie Unschuldig. Das sagen sie auch in Belize City, der kolonial geprägten Ex-Hauptstadt, die sich auf der Anreise nach Placencia - oder zu den vorgelagerten Party-Inselchen von Caye Caulker - in den Weg stellt und momentan leider ziemlich durch den Wind, pardon: Taifun ist. Das Problem mit der latenten Kleinkriminalität der historischen Siedlung ist heute entschärft. Jenes mit den Termiten, dem Rostfressersalz der Karibik, den Wirbelstürmen und Riesenlöchern in den Finanzen der privaten Haushalte, die marode Kolonialvillen, zugenagelte Fensterläden und eine Aura des Verfalls in Pastell hinterließen, ist es nicht.

Gefühlte Nähe zum Geld

Überholt man, zunächst von Belize City, später vom verschlafenen Whale-Watcher-Kaff Hopkins her kommend, diverse Golfwägelchen mit Touri-Grüppchen und rollt die langgestreckte Sandbank, an deren Spitze Placencia liegt, entlang, hat man das Schlimmste, das einem in Belize passieren kann, trotzdem bald hinter sich: Es ist die gefühlte Nähe zum großen Geld, der Blick auf aus dem Boden gestampfte Seeblick-Villen der Steuerflucht-Strizzis, die per Heli über Golfplatz-geschniegelte Rasen absinken, pünktlich zum Weekend-Date mit Placencias "Wealth Managment"-Juristen, und den Kumpels der Hochseefischerei. Nach Mayas, Jesuiten, Garifunas, britischen Tropenholz-Kolonisten und Mennoniten geht jetzt die Nadelstreif-Piraterie an Land. Besser man glaubt Belize auch das. (Robert Haidinger/DER STANDARD/Rondo, Printausgabe 21.1.2011)

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