Schlittenhunde gieren nach Bewegung.

Foto: Benno Zelsacher

Wenn die Hunde einmal im Laufen sind, ist das Tempo nur noch mit der Bremse zu regeln.

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Auch wenn sie nicht so lieb schauen, kriegen sie mindestens 5000 Kalorien pro Tag.

Foto: Benno Zelsacher

Die Frau Reitlehrerin war echt besorgt, als man in der Jeans zum Pferd stiefelte. Einmal, erzählte sie, nur einmal, und das nur aus Faulheit, hat sie sich in der Jeans aufs Pferd gesetzt. Sie, die Routinierte, büßte es mit offenen Wunden am Inneren der oberen Schenkel. Das lag an der Naht, die bei Reithosen genau dort, wo der Oberschenkel am Sattel aufliegt, nicht zu verlaufen pflegt, und bei Jeans schon. Keine Sorge, entgegnete man der Besorgten, ist eine Official ProRodeo Competition Jeans, direkt aus Calgary importiert, um sie im Mostviertel zum ersten Mal auszuführen, mit der wird man ja wohl reiten können. Sicherlich, man könnte einwenden, dass der Cowboy nur ein paar Sekunden auf seinem Mustang sitzt. Doch siehe da, auch stundenlanges Reiten war überhaupt kein Problem mit der Official ProRodeo Competition Jeans aus dem Western-Store. Die Naht kratzt schlichtweg nicht.

Aus der kanadischen Provinz Alberta freilich bringt man nicht nur die eine oder andere Jeans mit, sondern auch die eine oder andere Geschichte, und nicht wenige davon handeln von Tieren. Zum Beispiel von den ambitionierten Schlittenhunden. Die heulen und zappeln vor Aufregung, wenn ihnen der Musher das Geschirr anlegt.

Nein, nein, das sind keine sibirischen Huskies, erklärt der Musher, die wären viel zu schwer und zu groß und also zu langsam, das ist eine spezielle Züchtung. Viele, aber nicht alle der elf Hunde, die schließlich vor den Schlitten gespannt sind, schauen einen aus blauen Augen treuherzig an. Die und die Kälteunempfindlichkeit haben sie vom Husky geerbt. Als Alaskan Husky wird die Spezies bezeichnet, und Musher wie Jason, der für Kingmik Dog Sled Tours arbeitet, legen großen Wert auf eigene Zucht.

Das ärgste Schlittenhunderennen überhaupt

Streicheln? "Ja sicher, du kannst alle streicheln, sie sind ganz friedlich, sie wollen nur endlich laufen", sagt Jason. Insgesamt 45 Hunde hat er auf seinem Pick-up mit dem Aufbau mit den vielen Kojen mitgebracht. Für sie steht ein Sonntagsausflug in den kanadischen Rocky Mountains an, der mit drei Schlitten von Lake Louise im Banff National Park zur Great Divide führt, der großen Wasserscheide, der Grenze zwischen Alberta und British Columbia, mit Pausen keine zwei Stunden dauert und sich über 16 Kilometer erstreckt.

Drei der Hunde, erfährt man, haben schon beim Iditarod durch Alaska mitgemacht. Und das ist das ärgste Schlittenhunderennen überhaupt, es wird traditionell im März in Anchorage gestartet und endet 1850 Kilometer später in Nome an der Beringsee. Der Rekord liegt bei knapp unter neun Tagen. Das Rennen erinnert an 1925, an einen dramatischen Wettlauf mit der Zeit, als in der damaligen Goldgräbersiedlung Nome die Diphterie ausbrach und Hundeschlitten das dringend benötigte Serum von Anchorage in den Norden lieferten.

Heutzutage werden die Gespanne für Wettkämpfe und Ausflugsfahrten genützt. Jason liebt den Rennsport, doch bei den meisten Wettkämpfen ist das Preisgeld bescheiden. Ausflüge - jener zur Great Divide bringt pro Schlitten 300 kanadische Dollar - sind besser dazu geeignet, den Zirkus durchzufüttern.

Den Hunden ist das völlig egal, kaum zieht der Musher den Anker aus dem Schnee, schießen sie heulend los. Es hat keine minus 20 Grad, einige der Hunde tragen Patschen, nicht der Kälte wegen, sondern als Schutz gegen den aggressiven Schnee. Die Gäste sitzen jeweils zu zweit im Schlitten, von dicken Decken umhüllt. Und jeder von ihnen darf für ein paar Kilometer Musher spielen. Der Schlitten geht auf der Sprintdistanz rund 20 km/h. Nach dem Ausflug gibt's reichlich Futter. Ein arbeitender Hund braucht mindestens 5000 Kalorien pro Tag. Man frägt, was das Zeug ist. Jason zögert, ehe er erzählt, dass man das Fleisch günstig beziehe. Von einer Pelztierfarm.

Du bist keine Mahlzeit für ihn

Abgesehen davon gewinnt drüben auf der Abfahrtspiste von Lake Louise Michael Walchhofer die erste Weltcupabfahrt des Winters. Und auf dem Sessellift erzählt Rob vom Grizzly, der im vergangenen Frühling die Skifahrer schreckte. Im Dezember pflegt er zu schlafen, der Bär. Und wenn die Bären wach sind, brauche man nur ein paar Vorsichtsmaßnahmen beachten. Bei einer Begegnung dürfe man dem Tier keinesfalls in die Augen schauen und keinesfalls davonlaufen, sondern solle sich aufrecht im Rückwärtsgang langsam entfernen.

Läuft man nämlich weg, glaubt der Bär an eine Finte, und um einem Überraschungsangriff von der Flanke zuvorzukommen, greift er lieber selbst an. "Du bist keine Mahlzeit für ihn, nur eine Bedrohung." Das beruhigt. Auf einen Baum zu klettern ist ganz schlecht. Junge Grizzlys und Schwarzbären sind gute Kletterer, alte Grizzlys schütteln gerne Bäume, auf dass die Früchte fallen. Meistens aber entfernt sich der Bär, in dieser Gegend frisst er am liebsten Beeren. Konflikte zwischen Bär und Mensch sind selten. Und fast immer auf die Unvorsichtigkeit Neugieriger - Menschen, nicht Bären - zurückzuführen.

Die Rocky Mountains haben auch steinerne Attraktionen zu bieten wie die Luxushotels Banff Springs und die Châteaus am Louisensee, die im späten 19. Jahrhundert von der Canadien Pacific Railway errichtet worden sind. Hunde dürfen dort übrigens hinein, Bären, ausgenommen die ausgestopften, nicht. Und im Osten der Rockies liegt der Wilde Westen, und dessen Zentrum ist Calgary, die Stadt in der Prärie, die Stadt der Calgary Stampede mit Wagenrennen und Rodeos und dergleichen, zur der jährlich im Juli eineinhalb Millionen Menschen pilgern. Western-Stores gibt es reichlich in Calgary. Und also Jeans, die nicht scheuern. (Benno Zelsacher/Der Standard/rondo/28/01/2011)

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