In der Krise, das wissen die Experten, besinnt der Mensch sich auf sichere Werte. So darf man auch die Wiederauferstehung des Sonntagsbratens verstehen. Früher versammelte sich die Familie im trauten Heim oder bei der Oma, um den Tag des Herrn im Zeichen fleischlicher Genüsse zu begehen. Da war so ein Stück vom Tier noch mit dem Nimbus des Besonderen versehen, das man sich nur an manchen Tagen leisten konnte. Das hat sich zwar radikal ins Gegenteil gewandelt - für die meisten sind fleischlose inzwischen die besonderen Tage. Ein kapitaler Braten aber übt ungebrochene Anziehungskraft aus.
Gast als Kunde
Ganz besonders gilt das für jene "Grandes pièces", die der Küchenchef des Elixhausener Nobelwirten Gmachl von der familieneigenen Metzgerei als Sonntagsbraten angeliefert bekommt. Das kann Kalbsnierenbraten sein, eine im Ganzen geschmorte Haxe oder klassisch gefüllte Brust, gebratene Ente oder ein gut abgehangenes Filet Wellington. Sonntagmittag stellt sich der Küchenchef mit seinem besten Stück in die Gaststube und säbelt jedem, der nicht Nein sagen kann, eine satte Portion herunter. Diese Form der Gastronomie, bei der man sich mehr als Gast denn als Kunde fühlen darf (und, wo das Gute so nah ist, sich auch leichter traut, einmal um Nachschlag zu bitten), wird vielerorten wiederentdeckt. Auch das Wiener Hotel Herrenhof plant etwa, die Tradition der familiären Sonntagstafel, wo allerhand Schüsseln und Platten für den ganzen Tisch aufgetragen werden, neu zu beleben.
Der Schweinsbraten im Gmachl gerät jedenfalls famos, mit zartem, saftigem Fleisch unter krachfrischer Kruste und gar nicht schüchterner Fettauflage. Wer sich den dicken Knödel lieber spart, bekommt umso mehr vom wunderbar knackigen Schmorkraut aufgeladen - sehr gut. Und wem ein Sonntag ohne Fleisch inzwischen besser schmeckt, kommt auch auf seine Rechnung: Gemüse im Paradeiserfond mag nicht nach viel klingen, erweist sich aber als richtig smarte Kombination aus Navetten, Stangenzeller, Fenchel und allerhand anderem Grünzeug, das punktgenau geschmort und sehr gekonnt gewürzt wird. Da geht einem nix Tierisches ab! (Severin Corti/Der Standard/rondo/11/02/2011)