Niko Kölbl hat in Berliner Top-Küchen wie Vau, Feinstoff oder Margaux gewerkt.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Jetzt erfreut er die Gäste der Wiener Weinschenke mit seiner Kunst.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Mit den zauberhaften Orten ist es so eine Sache: Laut Definition sind es fragile Konstrukte, die in der Hauptsache von der Liebe leben - jener der Betreiber wie der der Gäste, die das Glück haben, sie zu entdecken. Restaurantbesprechungen und ähnliche Vehikel zur Verlautbarung der eigenen Existenz können da leicht kontraproduktiv wirken - so wie intensives Gießen der Orchideen Tod ist. Als zauberhafter Ort sollte man sich ihnen tunlichst entziehen. Geht aber nicht immer.

Was dieser Tage in der Weinschenke aufgekocht wird, ist zu gut, als dass es nur den Eingeweihten vorbehalten bleiben darf. Jedoch: Als Spätgerufener hat man die Pflicht, den Genius des Ortes zu ehren und seinen Möglichkeiten mit Respekt zu begegnen!

Seit einigen Monaten schon hat die Weinschenke einen Koch, was das Dasein dieses zwecks Raucherlaubnis um einen guten Quadaratmeter verkleinerten Weinlokals ziemlich existenziell in Richtung Restaurant verschoben hat. Betreiber Thomas Krösbacher (Eissalon Joanelli) und Geschäftsführer Marco Rapatz wollten ja bloß die Aura der alten Tranklerhütte konservieren und ein Lokal mit fairen Weinpreisen und Flaschen aus der Auswahl von Ex-Vinissimo Franz Haslinger machen. Sie konnten ja nicht ahnen, dass da plötzlich ein Koch von der Statur Niko Kölbls in der Tür stehen würde, dem die Atmosphäre des Ortes derart taugte, dass er sich in ihren Dienst stellte.

Der Liebe wegen in Wien

Kölbl kommt aus Berlin-Kreuzberg, hat in einigen der tollsten Adressen der Hauptstadt gewerkt und die Kita seiner Mutter bekocht. Das wird er irgendwann wieder tun, wenn auch aus der Küche seines eigenen Restaurants in Berlin. Einstweilen aber ist er der Liebe wegen in Wien, und man kann nur hoffen, dass dem noch länger so sein wird. Denn der Mann kocht großartig, zu Preisen hart an der Selbstausbeutung. Er will es nicht anders.

Es gibt Aufstriche und selbst Eingelegtes der Extraklasse und einen Salat aus lauwarmer, ausgelöster Stelze mit knackigen Wurzeln, von dem man noch nach Tagen in Verzückung träumt. Es gibt eine fantastisch gewürzte Linsensuppe, es gibt Bachsaibling in drei Variationen auf einem Teller - eine besser als die andere. Es gibt Kräutercouscous mit geschmolzenem Gorgonzola und gebratenem Löwenzahn, das tatsächlich glücklich macht. Und es gibt hochklassig geschmorte Ochsenbacken mit einem Spalterbsenpüree, das aber wirklich eine eigene Geschichte ist. Und auch die in Tee eingelegten Trockenfrüchte zur Weißkäsemousse muss man selbst probieren, um zu wissen wie gut sie sind. Ach ja: Kaffee von einer venezianischen Kleinrösterei aus der Faema Urania, die einst im Szell stand. Magisch, no less. (Severin Corti/Der Standard/rondo/01/04/2011)