Das Berliner Online-Magazin "Styleproofed" weiß, was schick ist: die Kapselkollektion für Iris, von Amim durch Katzenaugenbrillen gesehen.

Foto: Cathleen Wolf

Wie sich die Bilder doch gleichen: 1953 führte Marilyn Monroe in der Screwball-Komödie Wie angle ich mir einen Millionär? eine Katzenaugenbrille spazieren, die die Blicke auf sich zog. Vor einem Jahr wurde das Brillenmodell dann wieder einmal neu interpretiert: Prada führte die seitlich hochgezogenen Fassungen an weiblichen Mad Men-Looks vor, New Yorks Modehipster Alexander Wang entwarf für Linda Farrow ebenfalls Katzenaugengläser, und Hollywoodstar à la Scarlett Johansson wurden auf Paparazzishots mit dem Modell Mykita von Tom Ford erwischt. Die Fassungen könnten locker als die aufgeweckte Enkelgeneration des Monroe-Modells durchgehen: Zwar liegen knapp 60 Jahre zwischen den Gestellen, doch die Ähnlichkeiten sind unverkennbar.

Während Marilyn Monroe allerdings noch befürchtete, mit ihrer Brille keinen Millionär abzubekommen, gelten Brillengläser heute längst nicht mehr als Zeichen von Sehschwäche und Unattraktivität. Ganz im Gegenteil: Internationale Designer schicken scharenweise Brillen über den Laufsteg, das Modell Cat Eye war da nur der Anfang. Das schwedische Label Acne, das gerne als Trendbarometer angesehen wird, setzte im Juni in New York fast jedem Model eine markante Hornbrille auf, Riccardo Tisci hat für Givenchys diesjährige Herbstkollektion riesige Cat-Eye-Modelle mit Samt eingeschlagen.

Genese der Nerdbrille

Brillen werden längst um der modischen Distinktion willen auf der Nase platziert - da darf es auch mal Fensterglas sein. Bestes Beispiel ist die Genese der Nerdbrille, die sich mittlerweile in unzähligen Texten als eine Geschichte der Abgrenzung nachlesen lässt: In den 90ern feierte sie als kastiges Horngestell Urständ und wurde irgendwann vom Mainstream absorbiert. Sogar ins "Neue Wörterbuch der Szenesprachen" hat der Duden die Bezeichnung Nerdbrille gehievt, als deren Stilvorbild gerne Regisseur Woody Allen zitiert wird.

Jetzt hat sich das dicke Hornbrillengestell, das in den 90ern das Gesicht möglichst streng und gerade rahmte, dem filigraneren Spießermodell der 1950er angenähert. Preppy ist in - oder anders gesagt: Die runderen Panto-Brillen, denen modische Individualisten wie Woody Allen oder Johnny Depp seit Jahren vertrauen, haben es dieses Jahr zur angesagten Brillenform gebracht. Bester Beweis hierfür: Das italienische Modelabel Armani ließ unter dem Titel Frames of your Life internationale Modeblogger von Tommy Ton bis Yvan Rodic Schnappschüsse mit Armanis Brillenmodellen inszenieren. Da sah man dann vor allem das besagte Panto-Modell aus den 1920ern im zeitgenössisch-individuellen Styling modebewusster Großstädter auferstehen.

Eigene Initialen auf Brille bei Prada

Aber auch andere Unternehmen haben längst erkannt, dass sich Einzigartigkeit sehr gut verkauft. In den 1960er Jahren wanderte der bislang auf der Innenseite des Brillengestells eingravierte Herstellername auf die prominentere Außenseite. Diese Art des Gütesiegels ist allerdings keine Erfindung der zurückliegenden label-fixierten Jahrzehnte: Schon im 17. Jahrhundert druckten die Meister der Nürnberger Brillenmanufakturen ihre Namen auf massenhaft produzierte Drahtbrillen, die zeitweise nicht nur den deutschen, sondern auch den europäischen und asiatischen Markt beherrschten.

Heute reicht das sichtbare Markenlogo längst nicht mehr aus, denn wie alle anderen will heute niemand mehr aussehen: Prada hat auf dieses Bedürfnis reagiert und offeriert seinen Kunden jetzt online Brillengestelle, die die eigenen Initialen in das Lieblingsgestell integrieren und nennt diesen Service "Private Eyewear". Gleichzeitig hat der Konzern den Katzenaugen aus der Wintersaison 2010 selbstverständlich bereits neue Ideen folgen lassen: Minimal Baroque hieß die Brillenserie mit an den Schläfen verschlungenen Kunststoffgestellen für den Sommer 2011. Und für diesen Herbst favorisiert man Modelle, die wie futuristische Taucherbrillen aussehen. Da sind Marilyns Cat-Eyes schon fast wieder vergessen - modische Distinktion hat eben ihren Preis. (Anne Feldkamp, Der Standard/rondo/30/09/2011)