Jean Cocteau soll über den Verlust seines Freundes Jean-Michel Frank gesagt haben, sein Tod sei wie das Fallen eines Vorhangs zwischen der Welt des Lichts und der Welt der Finsternis. Das Dunkle kommt früh ins Leben von Jean-Michel Frank, der als einer der einflussreichsten Designer der 1930er-Jahre gilt. 1915 kommen seine Brüder Oscar und Georges an der Front um. Sein Vater begeht Selbstmord, die Mutter des 1895 in Paris geborenen Jean-Michel landet in der Nervenheilanstalt. Sie stirbt 1919. Jean-Michel Frank, auch ein Verwandter von Anne Frank, ist allein, als es zu dämmern beginnt und er in der Rolle des Gestalters aufsteigt in die Welt der Schönen, Reichen und Intellektuellen.
Er befreundet sich mit Louis Aragon und Salvador Dalí, auch mit Alberto und Diego Giacometti. Letztere entwerfen Deko-Objekte für den Freund. Doch es wird noch heller: Frank richtet die New Yorker Wohnung von Nelson Rockefeller oder die Bleibe des Millionärs Templeton Crocker ein. Mit Man Ray entwirft er einen Schachtisch, und Cole Porter gehört ebenso zu seiner Kundschaft wie die Kosmetik-Queen Helena Rubinstein oder die Modemacherin Elsa Schiaparelli. Schon bald spricht diese Welt vom "Stil Frank". Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs kommt allerdings die Finsternis wieder zurück in Franks Leben. 1941 stürzt er sich 46-jährig aus dem Fenster einer Wohnung in New York, wohin er vor den Nazis über Argentinien geflüchtet war.
Leuchter aus Muschelschalen
Auch wenn seine Formen streng rüberkommen und der französische Schriftsteller und Nobelpreisträger (1952) François Mauriac Franks Stil eine "Ästhetik des Verzichts" nennt, wäre es verfehlt, seine Objekte lediglich reduziert zu nennen, denn bei genauerer Betrachtung erkennt man in seinen Holzintarsien oder belegten Oberflächen einen prägnanten Kontrast zu den strengen Körpern der Möbel. Weniger streng war Frank auch, wenn es um die Auswahl von Materialien ging, so kamen Chagrinleder, Bronze, Haihaut, geflochtener Bast, Maulwurffell, Pergament und Hölzer zum Einsatz, die Namen tragen, als gäbe es sie nur in Abenteuerromanen. Müsste man den Stil Franks in eine Schublade stecken, würde auf dieser Neo-Klassizismus ebenso stehen wie Art déco, natürlich auch elegant und abstrakt.
1935 - drei Jahre, nachdem er mit einem Partner eine Boutique auf der Rue du Faubourg St.-Honoré eröffnete - schrieb Frank: "Ich glaube, dass ein weniger schweres Einrichtungsprinzip durch den Mix von Stilen gefunden werden kann." In dem Geschäft wurden unter anderem Duftflaschen in Rattan-Geflecht, Leuchter aus Muschelschalen oder Leuchten aus Gips mit kirschroten und zitronengelben Lampenschirmen angeboten.
Weniger als 20 Modelle aus Franks Design-Kosmos legte man nun bei Hermès auf. Die Reeditionen bilden das Kernstück der neuen Möbellinie des Luxusunternehmens, von dem Frank seinerzeit das Leder für seine Entwürfe zuschneiden und nähen ließ. Die Serie besteht aus Sesseln, Sofas, Tischen, Beistelltischen oder einem Paravent. Man suchte sich aus Franks Fundus eher die solide Abteilung raus. Die Stücke könnten, abgesehen vom Schminktisch, dessen Schubladen mit Ziegenfell ausgelegt sind, auch das Wartezimmer einer Notariatskanzlei möblieren.
Zeitgenössische Entwürfe
Keinesfalls verkörpern sie die ganze Strahlkraft, die Frank zu seiner Zeit in die Welt des Designs brachte. Die Rolle dieser Möbel als wiederauferstandene Zeugen dieser Epoche, vor allem auch für die intensive Zusammenarbeit zwischen Hermès und Frank ab 1924, spielen diese Stücke allerdings bravourös. Jean-Michel Frank ist übrigens nicht der Einzige, der seinen Beitrag zu Hermès als Möbler leistete. Einrichtungsobjekte sowie Tapeten und Teppiche gibt es nun auch von anderen Gestaltern - so entwarfen Altmeister Enzo Mari, Antonio Citterio oder das RDAI Studio (Rena Dumas Architecture Intérieure). Auch die zeitgenössischen Entwürfe orientieren sich an der großen handwerklichen Tradition des Hauses und stellen im Ensemble mit Franks Objekten keine Ausreißer dar. Ganz offensichtlich dürften sich die Gestalter mit den einstigen Musen von Frank ein Stelldichein gegeben haben.
Wer es nicht nach Paris in den Showroom von Hermès schafft, den das Luxusunternehmen im ehemaligen Lutetia-Schwimmbad auf 1400 Quadratmetern eingerichtet hat, kann die Stücke, wenn schon nicht in all ihrer Pracht begutachten, aber doch im Hermès-Geschäft in Wien ordern. Dort sind derzeit fünf Objekte ausgestellt. Die Stücke sind nicht gerade ein Schnäppchen, so nimmt man etwa für den Stierleder-Fauteuil "Club Confortable" 17.000 Euro und ein bisschen was, die Möbel sind aber auf jeden Fall günstiger als ein Frank, bei dem der Meister noch selbst Hand anlegte. Vor wenigen Jahren ging bei Christie's ein ebensolcher Schrank von Frank um über eine Million Dollar über die Auktionshaus-Budel. (Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/04/11/2011)