Foto: M. Corti

In einer Lagerhalle an der Salzburger Peripherie hat Ausnahme-Wirt Stefan Brandtner mit seiner Crew Quartier bezogen - aber nur bis Ende März.

Foto: M. Corti

Noch bis Ende März lässt sich in der Lagerhalle einer stillgelegten Glockengießerei an der Salzburger Peripherie das derzeit vielleicht spannendste Lokalkonzept des Landes erleben. Stefan Brandtner, der nach Jahren in der französischen und spanischen Hochgastronomie (Ducasse, Santi Santamaria ...) schon mit der Plainlinde gezeigt hatte, dass ein wunderbar entspanntes Toprestaurant auch in den kaum veränderten Räumlichkeiten einer biederen Pizzeria funktionieren kann (wenn auch mit unschlagbar schöner Aussicht), hat die Nase vorerst voll von herkömmlicher Gastronomie. Zwar verfügt sein Brandtner 63 über eine gut ausgestattete Küche, die Einrichtung aber besteht zum Großteil aus "Möbeln", die er sich aus Holzpaletten zurechtgeschustert hat - und aus zusammengewürfelten Stühlen.

In London oder New York mögen Pop-up-Restaurants dieser Art ein Trend sein, der schon wieder im Abklingen ist - bei uns im Alpenland aber hat die Idee, einen Ort als Restaurant zu bespielen, der an sich nicht der Gastronomie geweiht ist, durchaus noch revolutionären Beigeschmack. Als etwa die Künstlertruppe AO& unter Philipp Furtenbach vor Weihnachten ein einstiges Damenmodengeschäft beim Wiener Petersplatz für einige Wochen in eine schummrige Räuberhöhle des guten Geschmacks und der intensiven Küchendüfte verwandelte, herrschte ganz schöner Aufruhr unter den Lebensmittelpolizisten, Gesundheitsbeamten und sonstigen Gewerbegschaftlern der Stadt.

Richtung Berlin und Gastspiel in Wien

Stefan Brandtner jedenfalls wird nach dem Ende der Salzburger Aktion mit seiner Crew in Richtung Berlin weiterziehen, danach ist, so sich ein geeigneter Platz findet (bitte!), ein Gastspiel in Wien angedacht.

Was die Küchenchefs Martin Kilga (Ex-Hangar-7) und Anna Wilhelmer aus der Küche schicken, ist jedenfalls angetan, die Lust auf mehr zu wecken: Blunze (vom Oberndorfer Fleischhauer Ablinger nach Brandtners französischem Rezept gefertigt) auf Graupenrisotto ist von verschwenderisch würzigem Schmelz. Tartare mit roh gehobelten Champignons und Nussbutter-Mayo schmeckt deutlich nuancierter als die anderswo inflationäre Kombination mit Avocadogatsch. Auch der Seesaibling auf gedörrten Marillen und Fregola (Bild links) macht deutlich, dass hier auf mutige, durchaus fordernde Weise mit Aromen gespielt wird.

Mutig ist auch die Weinpolitik - da herrscht nämlich Einreiseverbot für Inländer. Stattdessen präsentiert Brandtner eine ganze Reihe extrem interessanter (und großteils sehr leistbarer) Weine aus Anbaugebieten, mit denen sich der heimische Trinker sonst eher nicht so beschäftigt. Der fantastisch frische und doch tiefgründig mineralische weiße "Les Calcinaires" von Gauby in der Nähe von Perpignan etwa ist so ein Wein, aber auch der wunderbare Mosel-Riesling "Vom Schiefer" von Ansgar Cüsselrath: Brandtner spezialisiert sich auf Beispiele junger, engagierter Winzer, die ihren Weinen mit einem Minimum an Technik, mit konsequenter Spontanvergärung und langen Maischezeiten wunderbar eigenständige Kontur verleihen. Ermutigend! (Severin Corti/Der Standard/rondo/20/01/2012)