Im Allgemeinen darf man darauf vertrauen, dass die Restaurants luxuriöser Hotelketten urfade Nobelküche der überbezahlten Sorte servieren. Ausnahmen wie Alain Ducasses internationale Luxuskantinen sind genau das - Ausnahmen. Wobei: Auch dort ist nicht auszuschließen, dass man mit windelweich gespülter Blingbling-Küche geneppt wird. Nun kann Bratislava nicht mit Paris und der neue Küchenchef des dortigen Kempinski-Hotels nicht mit Ducasse verglichen werden. Dennoch aber schafft es Björn Juhnke, dem River-Bank-Restaurant des spektakulär an der Donau gelegenen Hotels Kempinski ein eigenständiges, an Traditionen der Region orientiertes Profil zu verleihen.
Zwar hat Juhnke lange genug mit Gordon Ramsay gearbeitet, um zu wissen, dass in Osteuropa auch Hummer, Jakobsmuscheln und Lachs auf der Karte stehen müssen. Seine Karte wird aber ganz wesentlich von Produkten bestimmt, die er sich bei kleinen regionalen Erzeugern zusammengesucht hat - und das ist gerade in der Luxusgastronomie Osteuropas eine Entwicklung, die man kaum noch für möglich gehalten hat. Unwiederbringlich, so schien es, war die Küchentradition in den Jahren des Kommunismus ruiniert worden. Juhnke aber ließ sich davon nicht abschrecken, sah sich auf Märkten um und entdeckte gar nicht wenige Erzeugnisse lokaler Bauern und Handwerker, die seiner Küche Bodenhaftung verleihen.
Kleinbäuerliches Milieu
Etwa einen ziemlich tollen, zarten Ziegenkäse aus der Nordslowakei, den er mit allerhand roh marinierten, roten, weißen und rosa Rüben zu einer leichten, elegant aromatischen Vorspeise kombiniert. Zur knusprig gebratenen Tranche vom Zander serviert er in bester ostslawischer Tradition Buchweizen, dessen nussig-erdiges Aroma dem dicken Weißfisch wunderbar bekommt. Herausragend ist aber, was Juhnke mit dem Fleisch der Mangalitza-Schweine anfängt, deren Zucht in der südlichen Slowakei im kleinbäuerlichen Milieu den Kommunismus überlebt hat.
Juhnke fand einen Züchter, der selbst schlachtet und nach seinen Vorgaben reifen lässt. Was soll man sagen: Schweinefleisch von dieser Güte wird man in Österreich nicht finden, derart fantastischen Schmelz und dichten, satten, niemals schweindelnden Geschmack gibt es aus heimischer Zucht kaum.Gepresste Terrine macht aus der Stelze ein elegantes, puristisches Gericht, sehr saftig, zart und, vielleicht als Reminiszenz an Juhnkes Zeit bei Ramsay, mit tiefgelbem, süßsaurem Senfragout nach britischer Picallili-Art kombiniert. Schweinebauch wird 24 Stunden geschmort und mit würzigen Linsen, gegrilltem Lauch und Brimsen-Nockerln serviert.
Endgültig wunderbar aber ist das sous-vide gegarte und dann scharf gegrillte Kotelett (Bild links), das, wiewohl gut pariert, nicht mit köstlich karamellisiertem Fett geizt. Danach ist man mehr als satt, doch es wäre schade, deswegen auf Juhnkes "Best of Valrhona" für zwei Personen zu verzichten. Speziell das Sorbet von der Schokolade ist von einer dunkel lockenden Sündhaftigkeit, dass man danach sicher nicht zum Schlafen ins Bett will. (Severin Corti/Der Standard/rondo/24/02/2012)