1987 exportierte ein niederländischer Lebensmittelkonzern Geflügelteile in Drittländer. Bei den Zollbehörden wurde diese Ware als "Schenkel und Teile von anderem Geflügel" angemeldet. Auf der Grundlage dieser Anmeldung gewährte die Behörde eine dieser Tarifposition entsprechende Ausfuhrerstattung und zahlte die entsprechenden Abgaben zurück.

Im Rahmen einer nachträglichen Überprüfung reihte die Behörde die exportierte Ware jedoch anders ein und verlangte aufgrund dieser Neutarifierung die Rückzahlung der erstatteten Beträge. Diese Rückzahlungsanordnung der Behörde wurde im Jahre 1991 rechtskräftig, das Unternehmen zahlte die entsprechenden Beträge zurück.

Im Jahre 1994 erließ der EuGH in einem anderen Verfahren, das ebenfalls die Gebührenrückerstattung bei Fleischexporten betraf, ein Urteil, das für den Standpunkt des Lebensmittelkonzerns äußerst günstig war: Wäre es schon vor der Rückforderung der Behörde vorgelegen, hätte dem Unternehmen eine noch höhere Rückzahlung als die zunächst gewährte und später zurückgeforderte bewilligt werden müssen.

Neuer Antrag auf Rückerstattung

Daraufhin stellte der Lebensmittelkonzern einen neuen Antrag auf Rückerstattung der geleisteten Gebühren. Dieser Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, dass die Sache rechtskräftig entschieden sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Konzern Klage, womit sich schließlich der Europäische Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren beschäftigte.

Der EuGH erklärte in seinem Urteil/RS C-453/00 vom 13. 01. 2004) zunächst, dass die Endgültigkeit einer rechtskräftigen Verwaltungsentscheidung zu den anerkannten allgemeinen Rechtsgrundsätzen des Gemeinschaftsrechtes gehört und zur Rechtssicherheit beiträgt.

Daher ist laut Gemeinschaftsrecht eine Verwaltungsbehörde nicht grundsätzlich in jedem Fall verpflichtet, eine rechtskräftige Entscheidung zurückzunehmen. Allerdings kann eine Behörde nach niederländischem Recht - sofern keine Rechte Dritter verletzt werden - auch eine rechtskräftige Entscheidung stets zurücknehmen, um z.B. einem später ergangenen Urteil des EuGH nachzukommen.

Überprüfung verlangt

Der EuGH stellte klar, dass die Entscheidung der Behörde, womit die Ausfuhrgebühren zurückgefordert wurden, auf einer - wie das später im Jahre 1994 ergangene EuGH-Urteil gezeigt hat - falschen Auslegung des Gemeinschaftsrechts beruhte. Zudem erfolgte sie, ohne dass zuvor der EuGH angerufen wurde.

Unter solchen Umständen ist die Verwaltungsbehörde nach dem Grundsatz der Zusammenarbeit verpflichtet, ihre rechtskräftige Entscheidung zu überprüfen und mit einer vom EuGH (zu einem späteren Zeitpunkt) vorgenommenen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu vergleichen. Gemäß dem Ergebnis dieser Überprüfung muss die Behörde dann entscheiden, ob sie ihre rechtskräftige Entscheidung zurücknehmen muss oder nicht.

Da auch die Behörden in Österreich befugt sind, rechtskräftige Bescheide aufzuheben oder abzuändern, ist es auf Grundlage dieses EuGH-Urteils nunmehr möglich, die Aufhebung von rechtskräftigen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden zu erreichen, wenn durch ein späteres Urteil des EuGH eine für den Betroffenen günstigere Auslegung des Gemeinschaftsrechtes erfolgt.

In diesen Fällen sind die Behörden jetzt verpflichtet, ihre ursprüngliche Entscheidung dahingehend zu überprüfen, ob sie in Widerspruch zu einem (auch später ergangenen) Urteil des EuGH steht. Sollte dies der Fall sein, muss die Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung erfolgen. (DER STANDARD Printausgabe, 24.02.2004, Christoph Haidlen)