Nach dem Spiel warf der enttäuschte Oliver Kahn seine Handschuhe auf den Rasen.

Oliver Kahn, Bayern-Goalie der im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League ein Roberto-Carlos-Ei zum 1:1 Bayerns gegen Real Madrid kassierte, wurde vom Sportinformationsdienst zu seiner Befindlichkeit und den Chancen befragt.

Wie haben Sie sich am Mittwoch nach dem folgenschweren Fehler gefühlt?

Oliver Kahn: Da hat man nur Fluchtgedanken im Kopf, da will man nur weg vom Ort des Geschehens.

Gab es Reaktionen von den Mitspielern?

Kahn: Am besten ist, man lässt mich in Ruhe.

Wie ist Ihre Gefühlslage am Tag nach dem Spiel?

Kahn: Das ist eben das Torwartleben. So etwas kann dir immer wieder passieren. Im Torwartgeschäft kann sich die Welt in Sekunden verändern. Aber es gibt noch ein Rückspiel.

Was erwarten Sie für die Partie in Madrid?

Kahn: Die Chancen für das Rückspiel sind gut, so viel steht fest. Das ist eine große Verpflichtung für mich. Wer mich kennt, der weiß, dass ich regelrecht über mich hinauswachsen werde.

Und wenn es doch nicht zum Aufstieg reicht?

Kahn: Wenn das Tor dazu führen sollte, dass wir ausscheiden, werde ich natürlich die volle Verantwortung übernehmen. Aber so weit ist es ja noch nicht. Es sind Momente, in denen man als Sportler besonders gefordert ist. Dann gewinne ich das Spiel in Madrid eben alleine.

Hat Sie Ihre Rückenverletzung behindert?

Kahn: Die Verletzung ist längst überwunden. Den muss ich halten, aus, fertig. Da kann man ohne zwei Arme und zwei Beine spielen.

Hat Sie vielleicht auch das Theater nach dem Länderspiel gegen Kroatien beeinflusst, als Ihr Ersatzmann Jens Lehmann Sie persönlich angriff?

Kahn: Nicht nur das. Da muss man sich die ganze Woche mit Schlagzeilen vom Länderspiel herumschlagen. Ich habe meiner Meinung nach eine Topleistung gebracht, bis auf den einen Fehler. Die Grenzen sind auch bei mir irgendwann erreicht.

Das klingt jetzt doch sehr nachdenklich.

Kahn: Es gibt so Momente in einer Karriere, da fragt man sich schon, ob es das eigentlich noch wert ist. Da muss man sich dann selbst ein paar Fragen stellen, in sich gehen, daraus seine Schlüsse ziehen und am Ende dementsprechend handeln.

Denken Sie in dieser Situation an Ihr Karriereende?

Kahn: Es soll kein falscher Eindruck entstehen: Aufhören will ich nicht, das dauert noch ein paar Jahre.

Wie wollen Sie der jetzigen Situation begegnen?

Kahn: In der Vergangenheit habe ich immer noch härter trainiert, um dahin zu kommen, wo ich hin will.

Müssen Sie nicht vielleicht etwas lockerer werden?

Kahn: Auch darüber muss ich nachdenken. Aber ich werde den Teufel tun und aufgeben: Wer weiß, was in Madrid passiert? Wir sind noch lange nicht draußen. Wir können dort gewinnen - und darauf muss ich mich einstellen. (DER STANDARD Printausgabe 26.02.2004)