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Foto: Reuters/Bensch

Was wir in nicht zu ferner Zukunft sehen, hängt davon ab, wie wir sehen. Digital wird das Fernsehen, nach Kabel und längst boomendem Satellitenmarkt auch über Hausantenne. Am Samstag ging es offiziell los.

David Schalko hat eine doch recht konkrete Vorstellung von der Zukunft des Fernsehens: "Im Bett mit Vera Russwurm, Barbara Stöckl, Arabella Kiesbauer, Barbara Karlich mit allen dazugehörigen interaktiven Möglichkeiten", umriss sie der Erfinder der "Sendung ohne Namen", von "Sunshine Airlines" und Regisseur von "Dorfers Donnerstalk" im etat.at-Chat (Nachlese des Protokolls: "Im Bett mit Vera Russwurm").

Von wegen interaktiv: Für den "Großen Liebestest" des ORF hat Schalko auch zugearbeitet. Der floppte zwar mit nur 447.000 Zusehern in der Publikumsgunst. Aber immerhin 260.000 wollten wissen, wie glücklich ihr Händchen denn bei der Wahl des Lebenabschnittspartners war. Per SMS oder Anruf, natürlich über kostenpflichtige Mehrwertnummer.

Großes Testprojekt in Graz

Das soll einfacher werden mit digitalem Fernsehen. Statt zum Telefon zu greifen, soll der Konsument per Fernbedienung zum Beispiel mitstimmen können, wer als nächster aus dem "Big Brother"-Container fliegt oder kein Zeug zum Superstar hat. Dass dieser Rückkanal dann doch – außer bei digitalem Fernsehen über Kabel – eine Telefonleitung beansprucht, stört den Komfort nicht weiter.

Wofür digitales Fernsehen sonst noch gut ist und welche Zusatzdienste der Konsument goutiert, soll ein großes Testprojekt von April bis Ende Juli in Graz klar machen. Am Samstag präsentieren es die steirische Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic, ihr Wirtschaftslandesrat Herbert Paierl, der Onlinedirektor des ORF, Ronald Schwärzler, und der Chef der Rundfunkregulierung RTR, Alfred Grinschgl.

Fernsehillu am Bildschirm

Es ist der erste Pilotversuch Europas, der auf Decoderboxen setzt, die mehr können als nur digitale Signale auf dem Bildschirm sichtbar machen. In Berlin ist Fernsehen über normale Zimmer-oder Hausantenne schon seit August vergangenen Jahres nur noch digital zu empfangen. Die nötigen Decoder sind aber deutlich einfacher und nicht für Zusatzdienste gerüstet wie die so genannten MHP-Geräte, die Siemens in den nächsten Wochen in 150 Grazer Haushalte stellt.

Einer dieser Zusatzdienste ist ein elektronischer Programmführer, abgekürzt EPG. Statt in der Fernsehillu zu blättern liefert der Bildschirm die aktuellen oder gewünschten Programme nach Auswahlkriterien wie Genres oder Beginnzeiten.

Anklang könnte auch der deutlich ausgefeiltere digitale Teletext finden. Schon den analogen des ORF in groben "Legobuchstaben" (RTR-Chef Grinschgl) nutzt täglich ein Millionenpublikum.

Was erwarten Nutzer von Digital-TV?

Was aber erwarten die Nutzer von digitalem Fernsehen, ob nun über Antenne, Kabel oder Satellit? Abstimmungen per Fernbedienung über die Kanalwahl hinaus? Zusatzinfos über die Tiere in "Universum" oder den Torstand von Fußballer X? Ins Bett mit Vera Russwurm? Oder gar, was sich die Werbebranche an Interaktion einfallen lässt?

Die Rundfunkregulierung beauftragte Fessel-GfK mit einer Umfrage dazu: 57 Prozent der Österreicher kennen den Begriff digitales Fernsehen. Die meisten von ihnen – 24 Prozent – erhoffen sich davon schlicht bessere Bildqualität. Bei denen, die schon digital über Kabel oder Satellit sehen, sogar 30 Prozent.

Das ist freilich vorerst vor allem eine Frage des Fernsehgerätes, das im trauten Wohnzimmer steht, sagt Grinschgl.

Störungsfreies Fernsehen erwarten 16 Prozent all jener, die schon von digitalem Fernsehen gehört haben. Die es schon nutzen, glauben daran nur noch zu fünf Prozent.

In beiden Gruppen weit vorne unter den Erwartungen steht indes Programmvielfalt. Und die bringt digitales Fernsehen auf jeden Fall: je nach Verbreitungsweg (Übersicht rechts) zumindest Platz für vier Programme pro Kanal, der analog gerade für eines reichte.

Digitalsatelliten boomen

Vor allem der digitale Satellitenempfang boomt seit Mitte 2000 in Österreich: Alleine im November und Dezember 2003 wurden laut Handelsbeobachtung von Fessel-GfK 35.600 digitale Empfänger abgesetzt, Tendenz seit Frühjahr 2003 stark steigend.

400.000 Fernsehhaushalte sehen laut Fessel-Studie für den ORF bereits digital, der Großteil davon über Satellit. Wozu also noch lange die Vor- und Nachteile des Empfangs über Hausantenne untersuchen und bis spätestens 2010 alle terrestrischen Frequenzen digital bespielen? Ein Konjunkturimpuls über die Decoderindustrie? Immerhin braucht jeder Haushalt bis dahin ein solches Kästchen, will er nicht buchstäblich nur noch Schwarz sehen.

Statistik täuscht

Die Statistik über die Empfangswege täuscht: Nicht nur jene 18 Prozent der österreichischen TV-Haushalte, die weder Kabel noch Schüssel haben, holen ORF 1 und ORF 2, vielleicht auch ATV+ über gewöhnliche Antenne auf den Schirm. Sondern auch alle Satellitenhaushalte, die weder ORF digital noch Premiere abonniert haben. Denn auch digital kann ORF nicht sein volles TV-Programm unverschlüsselt über Satellit jagen, ohne ein ruinöses Vielfaches für Senderechte zu zahlen, weil es ganz Europa sehen kann.

Digitales terrestrisches Fernsehen hat noch einen Vorteil, hoffen die Betreiber: mobilen Fernsehempfang, dereinst auch auf dem Handy. Aber wer will über diesen Weg schon mit ORF-Stars interaktiv werden? (Harald Fidler/DER STANDARD; Printausgabe, 28./29.2.2004)