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Foto: apa/epa/tischler
Alpenseen reagieren sehr sensibel auf Klimaveränderungen. Roland Schmidt und Christian Kamenik vom Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Mondsee verfolgten in den Sedimenten zweier Seen in den Niederen Tauern den Einfluss von Klimaveränderungen seit der letzten Eiszeit. Sie dokumentierten eine im Sommer recht kühle und ansonsten schnee- beziehungsweise eisreiche Periode während des älteren Holozäns und eine darauf folgende Zeit mit stärkerer Erwärmung der Seen und einer verlängerten Vegetationsperiode.

Klimasensitive Bioindikatoren

Diese nacheiszeitliche Warmphase legt einen Vergleich mit der aktuellen, diesmal vom Menschen mitverursachten Erwärmung nahe. Die Klimaeinflüsse auf der Südseite der Alpen scheinen bereits sehr lange mit denen des nördlichen Mittelmeerraumes gekoppelt zu sein. Die Limnologen machten sich im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds geförderten Projekts "Temperatur und Eisbedeckung alpiner Seen als Klimasignale" die Erkenntnis zunutze, dass die Verbreitung der Organismen in den Alpenseen von der Dauer der Eisbedeckung, der sommerlichen Erwärmung des Wassers und den damit gekoppelten chemisch-physikalischen Veränderungen bestimmt wird.

Als klimasensitive Bioindikatoren eignen sich besonders Kieselalgen (Diatomeen) und die Dauerstadien von Goldalgen (Chrysophyceen), da sie nach dem Absterben in den Sedimenten über lange Zeiträume erhalten bleiben. Für die Rekonstruktion des Klimas mussten die Wissenschafter die verwendeten Organismen gegenüber klimaabhängigen Umweltparametern eichen. Dafür setzten sie die Abundanzen (Häufigkeit des Vorkommens) der Organismen in den Oberflächensedimenten einer größeren Zahl von "Eich-Seen" mit chemisch-physikalischen Parametern des Freiwassers in Bezug. Mithilfe verschiedener Techniken prüften sie, ob ein signifikanter Zusammenhang zwischen den Kiesel- und Goldalgen und den gemessenen Umweltvariablen besteht.

Temperaturkalibrierung

Besonders detaillierte Messungen wurden für die Temperaturkalibrierung gemacht: Spezielle Temperaturschreiber, so genannte Thermistoren, zeichneten in 43 Seen der Niederen Tauern kontinuierlich die Wassertemperaturen über einen Zeitraum von zwei Jahren auf. Zusätzlich wurden die Eisbedeckung, klimaabhängige Daten zur chemischen Zusammensetzung des Seewassers sowie morphologische Daten der Seen und ihrer Einzugsgebiete erhoben.

Mithilfe dieser Datensätze entwickelten Schmidt und Kamenik quantitative Modelle, die die Rekonstruktion von Umweltvariablen aus der Zusammensetzung und Abundanz dieser Bioindikatoren in den Sedimenten erlaubten. Auf diese Weise konnten sie komplexe Zusammenhänge zwischen verschiedenen klimagesteuerten Prozessen in alpinen Seen quantifizieren.

Warmphase

Sie fanden heraus, dass markante Unterschiede in den sommerlichen Wassertemperaturen sowie in den Mischungszeiten in engem Zusammenhang mit der Variation der Eisbedeckung und mit - über das Jahr bestehenden - Schneefeldern im Einzugsgebiet stehen. Auch der Säurewert des Wassers hängt von der Dauer der Eisbedeckung, aber auch von externen Einflüssen wie der vegetations- und klimaabhängigen Verwitterung im Einzugsgebiet ab.

Die Limnologen konzentrierten ihre Untersuchungen auf einen 11.500 bis 4000 Jahre zurückliegenden Zeitraum (älteres bis mittleres Holozän), da sich seit 4000 Jahren - mit dem Aufkommen alpiner Nutzflächen - klimatische und anthropogene Einflüsse überlagern. In weiteren Untersuchungen wollen die Wissenschafter der vermuteten langfristigen Kopplung der Klimaeinflüsse an der Alpensüdseite mit dem nördlichen Mittelmeerraum nachgehen. Die bisherigen Ergebnisse stützen diese Hypothese. Sie weisen auch auf eine Warmphase während des mittleren Holozäns hin, die - zumindest in den Sommertemperaturen - der heutigen Klimaerwärmung nahe kam. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 28.2.2004)