Es ist schon eine Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet Deutschland als Erfinder des Stabilitätspakt diesen wiederholt verletzt. Erst dieses Wochenende gab der deutsche Finanzminister erneut eine frühzeitige Warnung an Brüssel, dass die größte Volkswirtschaft Europas zum dritten Mal in Folge heuer das Defizitkriterium überschreiten wird. Dabei waren die Maastrichter Regeln als teutonischer Schutzwall gedacht, der den Deutschen den Abschied von der D-Mark erleichtern und das Vertrauen in die neue Währung sichern sollte.

Damit bahnt sich die nächste Runde in der Konfrontation um den Stabilitätspakt auf EU-Ebene an. Die EU-Kommission, die mit der Verhängung von Sanktionen gegen die Defizitsünder Deutschland und Frankreich im Herbst an der Mehrheit der Finanzminister gescheitert war, wird sich bald positionieren müssen. Die EU-Kommission hat zwar Klage gegen die Entscheidung der Finanzminister vor dem EU-Gerichtshof eingereicht, aber bis zu einem Urteil wird noch viel Zeit vergehen.

Befürworter und Gegner einer Änderung des Stabilitätspaktes unter den Mitgliedstaaten haben sich schon festgelegt: Deutschland, Frankreich und Großbritannien fordern eine Überarbeitung; Spanien, Portugal, Italien, die Niederlande, Estland und Polen sind gegen eine Änderung des bisherigen Regelwerks. Auffällig ist, dass sich Österreichs Regierung - die im November noch vehement für Sanktionen gegen Deutschland und Frankreich war - nun zurückhält. Nicht nur in Brüssel und Berlin wird vermutet, dass dies etwas mit den Ambitionen von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten zu tun hat. Eine rasche Klärung des Konflikts um den Stabilitätspakt ist aber notwendig, denn sonst drohen die Währungsunion und der Euro Schaden zu nehmen. (Alexandra Föderl-Schmid, Der Standard, Printausgabe, 01.03.2004)