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"Hab keine Angst, Kleiner, mein Berater sagt, es ist gar kein so übles Gefühl, wenn er zuschnappt."

Foto: EPA Montage: Beigelbeck
Übernahmen stehen derzeit weltweit hoch im Kurs. In Europa spielt sich die prominenteste "Schlacht" in der Pharmaindustrie ab (Sanofi/Aventis), in den Vereinigten Staaten will der Kabelbetreiber Comcast den disneyschen Mickey Mäusen an den Kragen. In beiden Fällen "drohen" kleinere Unternehmen ihren größeren Konkurrenten zu verschlucken. Das derzeitige "Zähne- Zeigen" kann schnell zu einem "Köpfe-Rollen" führen.

Die Idee einer harmonischen Fusion drängt sich als Alternative auf. Doch nicht immer ist eine friedliche Lösung die beste. Geht man der Idee einer feindlichen Übernahme auf den Grund, so merkt man, dass feindlich oft gar nicht so weit von freundlich entfernt ist.

Laut Definition wird bei einer feindlichen Übernahme ein Unternehmen durch ein anderes gegen den Willen des Managements aufgekauft. Ein Unternehmen definiert sich jedoch nicht nur über das Management, sondern auch über die Mitarbeiter, Shareholder und den Markt.

Die Interessen des Managements sind oft auch mit persönlichen Karrieren verbunden. Die Mitarbeiter, Shareholder und der Markt brauchen sichere Arbeitsplätze, Gewinn/Shareholder-Value und Belebung/Aufschwung. Für sie kann der Feind daher schnell zum Freund werden, wenn er ihre Bedürfnisse besser erfüllt. Ohne feindliche Übernahmen rechtfertigen oder gar gutheißen zu wollen muss daher die unbequeme Frage gestellt werden: Was spricht denn für feindliche Übernahmen?

1. Zusammenschlüsse bringen selten den erwünschten Effekt. – Viele Untersuchungen der jüngsten Zeit zeigen, dass kaum eine Fusion das hält, was zu Beginn versprochen wurde. Sie dauern wesentlich länger als prognostiziert, sie kosten weit mehr als budgetiert und die erhofften Synergien stellen sich bei weitem nicht in dem Ausmaß ein, wie es angekündigt war. Bei feindlichen Übernahmen hingegen halten sich die Versprechungen meist in wesentlich engeren Grenzen als bei "freundlichen Fusionen", da die Erwartungen geringer, dafür aber die Ängste größer sind.

Klare Verhältnisse

2. Viele Fusionen entpuppen sich im Nachhinein als Übernahmen. – Oft tritt ja im Zuge freundlicher Zusammenschlüsse Schritt für Schritt das ein, was viele Mitarbeiter schon von Anfang an vermutet haben. Bei einer feindlichen Übernahme ist wenigstens von vorn herein allen klar, wer den Ton angibt, und es kann dann – nach dem Schock – eigentlich nur noch positive Überraschungen für die "Gekauften" geben.

3. Wenn "freundliche Fusionen" scheitern, bleiben nur Kosten. – Wenn eine feindliche Übernahme scheitert, kann sie für beide Unternehmen durchaus positive Folgen haben: Die Mitarbeiter beim potenziellen "Opfer" rücken näher zusammen, und unter der äußeren Bedrohung wird vielleicht manches möglich, was im Normalbetrieb kaum umzusetzen war.

Der Angreifer gewinnt in jedem Fall – auch wenn die Übernahme scheitert – zumindest an Selbstbewusstsein. Immerhin hat man den größten Konkurrenten in Angst und Schrecken versetzt.

Eine freundliche Fusion hinterlässt im Fall des Scheiterns nur Kosten und ein angekratztes Image – bei beiden Partnern.

Egal aber, ob man feindliche Übernahmen nun gut heißt oder nicht, Faktum ist, dass sie geschehen. Und Aufgabe des Managements ist es, im Getöse des großen Machtkampfs nicht auf die – zweifelsohne verunsicherten – Mitarbeiter und Shareholder zu vergessen. Den Führungskräften muss es gelingen, gerade in einem Moment, wo sie selbst unter Druck stehen, in hohen Ausmaß persönlich für Fragen zur Verfügung zu stehen. Die wesentliche Herausforderung liegt in diesen Zeiten daher in einer offenen, raschen und lebendigen Kommunikation.

Krise als Chance

Kaum etwas wird von Mitarbeitern und Aktionären als irritierender erlebt, als wenn sie über die aktuellen Entwicklungen aus den Medien erfahren müssen. Daher ist die direkte Kommunikation essenziell, zum Beispiel in Form von Großveranstaltungen mit möglichst vielen Mitarbeitern. Das Management steht dabei Face to Face Rede und Antwort.

Solche Großveranstaltungen können auch zu einem Kundenparlament erweitert werden, wo Kunden und Shareholdern die Möglichkeit zum Feed-back gegeben wird.

Für die Zeit der größten Verunsicherung verpflichtet sich das Management regelmäßig zu berichten. Das geht natürlich nicht immer und für alle direkt. Doch auch regelmäßige Updates über E-Mail oder das Intranet sind besser als nichts.

Vor allem Führungskräfte müssen die Chance bekommen, Informationen rasch weiterzugeben, indem sie zum Beispiel Pressemitteilungen so schnell wie möglich per Mail erhalten. Besonders gefragt in derartigen Krisensituationen ist konzentriertes Vorgehen. Anerkannte, erfahrene Mitarbeiter werden sofort für eine Projektgruppe freigestellt, die nach Möglichkeit aus Mitarbeitern unterschiedlicher Bereiche und Hierarchieebenen bestehen sollte und sich ausschließlich um diesen Prozess kümmert.

Ob die zwei genannten aktuellen Übernahmen tatsächlich gelingen oder nicht, die "Angreifer" werden auf jeden Fall gestärkt aus ihnen hervorgehen: entweder als Sieger oder als starke Konkurrenten, die ihre mächtigen Gegner eingeschüchtert haben. Bei den "Feinden" im Top-Management werden wahrscheinlich Köpfe rollen, aber Mitarbeiter und Aktionäre können von den Veränderungen profitieren.

In diesem Fall heißt es: Des einen Feind ist des anderen Freund, und oft entpuppt sich ein augenscheinlicher Feind als noch besserer Freund. (DER STANDARD Printausgabe, 3.3.2004)