Wien - Eine breite Meinungsfront - von Behinderten-Initiativen über die "Aktion Leben" bis zur "Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände" (AKV) - fordert die Streichung der "eugenischen Indikation" aus dem österreichischen Abtreibungsgesetz. Derzeit sind Abtreibungen von behinderten Kindern bis zum Tag ihrer Geburt straffrei. Der VP-Abgeordnete Franz-Joseph Huainigg, Behindertensprecher seiner Fraktion, hat dem Petitionsausschuss des Nationalrats eine BürgerInneninitiative vorgelegt, in der die ersatzlose Streichung der eugenischen Indikation gefordert wird. Die Gefahr einer Behinderung des Kindes dürfe nicht länger als alleiniger Grund für einen straflosen Schwangerschaftsabbruch gelten, weil dadurch der Gesetzgeber ein diskriminierendes Werturteil gegen Menschen mit Behinderung fälle, so Huainigg, und die Ungleichbehandlung von behinderten Kindern und nicht behinderten Kindern sei zudem eine Diskriminierung, die Signalwirkung für die Gesellschaft habe.

Langjährige Kritik

Die sogenannte "eugenische Indikation" im Gesetz der Fristenregelung stößt seit Jahren auf die Kritik von Behinderten-VertreterInnen. Laut dem 1975 in Kraft getretenen Paragrafen 97 des Strafgesetzes ist eine Abtreibung u.a. dann straffrei, wenn sie binnen der ersten drei Schwangerschaftsmonate vorgenommen wird oder wenn u.a. "eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein" wird. Das bedeutet, dass bei einer diagnostizierten Behinderung des Kindes die Drei-Monats-Frist nicht gilt. Behinderte Kinder dürfen - im Gegensatz zu gesunden Kindern - bis zum neunten Monat abgetrieben werden.

Haidlmayr: ÖVP missbrauche Behinderte, um die Fristenlösung abzuschaffen

Im Petitionsausschuss des Nationalrates wurde am Mittwoch die Behandlung der Petition vertagt. Die letztlich einstimmige Vertagung des Themas im Petitionsausschuss fand vor allem auf Vorschlag der Grünen und der SPÖ statt. Die grüne Behindertensprecherin Theresia Haidlmayr verwies auf einen zur Zeit in Begutachtung befindlichen Gesetzesentwurf für ein Behinderten-Gleichstellungsgesetz. Man sollte die Petition über die eugenische Indikation bis zur Entscheidung über das neue Gesetz vertagen. In der Donnerstag-Ausgabe der Tageszeitung "Die Presse" warf Haidlmayr der ÖVP zudem vor, die Behinderten "zu missbrauchen, um die Fristenlösung abzuschaffen".

Prammer: Frauen zu kriminalisieren sei falscher Weg

Dem Wunsch nach einer Vertagung hatte sich in der Sitzung auch die SP-Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek angeschlossen. Ihrer Ansicht nach müsse man bei einer solchen Entscheidung auch "das gesamte Umfeld mitdenken" und dürfe die soziale Komponente "nicht außer Acht lassen". Weitaus deutlicher formulierte SP-Frauensprecherin Barbara Prammer die SPÖ-Skepsis gegenüber der Petition. Sie sprach sich in der "Presse" klar gegen die Streichung der eugenischen Indikation aus und meinte: "Die Frauen zu krimininalisieren, ist der falsche Weg".

Steindl: Debatte habe mit Fristenregelung nichts zu tun

Der aus Kärnten stammende ÖVP-Abgeordnete Franz-Joseph Huainigg ist nach einer Impfung im Babyalter an beiden Beinen gelähmt und Rollstuhlfahrer. Die "Aktion Leben"-Österreich bedauerte in einer Aussendung am Donnerstag die ablehnende Haltung der Grünen und der SPÖ zu der Petition.

Mit Schwangerschaftsabbrüchen im Rahmen der Fristenregelung habe dies "absolut nichts zu tun", so "Aktion Leben"-Generalsekretärin Gertraude Steindl. Die angestrebte Gesetzesänderung habe das berechtigte Anliegen, behinderte Menschen nicht zu diskriminieren, sie also nicht schlechter zu behandeln als Menschen ohne Behinderung.

Die Grünen hatten bereits im Jahr 2000 mit dem Vorschlag für Aufregung gesorgt, die Behinderten-Diskriminierung dadurch zu beseitigen, dass man Abtreibungen generell bis zur Geburt des Kindes straffrei stellt. Das Strafrecht sei "nicht das geeignete Instrument", um auf einen Schwangerschaftsabbruch zu reagieren, so die Frauensprecherin der Grünen, Madeleine Petrovic. Auch SP-Frauensprecherin Barbara Prammer hatte sich schon damals vehement gegen die Streichung der eugenischen Indikation ausgesprochen. Sollte die Frist reduziert werden, hieße das, den Frauen die Entscheidung zu nehmen, so Prammer.

Ethische Standards für Behinderte sichern

Die "Arbeitsgemeinschaft Katholischer Verbände" (AKV) begrüßte am Donnerstag die parlamentarische Initiative Huainiggs. Es sei "menschenverachtender Perfektionismus, einem Menschen die Existenz zu verweigern, weil er zwar sehr vieles kann, aber eben nicht alles", so AKV-Präsident Josef Zemanek. Er trat für eine Gesetzesformulierung ein, mit der ethische Standards im Sinn der Würde jedes Menschen und seiner Existenzberechtigung auch bei den möglicherweise behinderten Ungeborenen eingehalten werden.

Wiederholte Kritik an der Diskriminierung Behinderter durch die "eugenische Indikation" war in den vergangenen Jahren von der Österreichischen Bischofskonferenz und der Österreichischen Ärztekammer gekommen. Auch Sozialminister Herbert Haupt schlug im Jahr 2000 vor, die "eugenische Indikation" zeitlich zu beschränken. (red)