Bild: Oliver Schopf
Dennoch lässt die Entscheidung bezüglich dreidimensionaler Marken zahlreiche Fragen offenDie zartblaue Mineralwasserflasche von Vöslauer, in die ein Wellenmuster eingeprägt ist, ist in Österreich als so genannte Formmarke oder dreidimensionale Marke geschützt. Nach einem Relaunch des Mineralwasserabfüllers Juvina sah Vöslauer die eigene Marke durch den Konkurrenten verletzt. Auch dort waren nun in Flaschen verdächtig ähnliche Wellen eingekerbt und das Gebinde zartblau getönt. Es gab Unterschiede: Juvinas Wellen sind in das obere Flaschendrittel, jene von Vöslauer in die beiden unteren Drittel gepresst; auf Etiketten, mehr als doppelt so groß wie bei Vöslauer, prangt der Name Juvina; und wenn nachgemessen wird, ist das Wellenmuster bei Juvina auch um einen Hauch flacher.

Verwechslungsgefahr

Dennoch, umfragegestützt wollte Vöslauer eine hohe Verwechslungsgefahr erkennen, sah auch das eigene, kostenintensiv aufgebaute Qualitätsimage angezapft und klagte die Konkurrenz auf Unterlassung - und bekam beim Obersten Gerichtshof Recht (4 Ob 222/03f vom 20. 1. 2004).

Juvina wehrte sich mit zwei Argumenten: Wellen seien ein Allerweltssymbol für Wasser - das vor dem Relaunch von Juvina am Etikettaufdruck verwendet wurde - und seien nicht monopolisierbar. Außerdem schließe das große Etikett mit seinem formatfüllenden Aufdruck "Juvina" Verwechslungen aus. Letzteres Argument überzeugte zwei Instanzen, aber nicht den OGH. Der Hinweis auf die Herkunft einer Ware sei, so der OGH, rechtlich die Hauptfunktion der Marke. Vielleicht dazu im Widerspruch muss aber nach seiner Ansicht die geschützte Marke - also die Form der Vöslauer-Flasche ohne Etikett - mit der Form der Juvina-Flasche verglichen werden. Hier sieht der OGH Ähnlichkeiten, die zwischen den Konkurrenten den falschen Anschein eines Zusammenhangs hervorrufen könnten - Verwechslungsgefahr im weiteren Sinn.

Unterscheidungskraft

Die Registrierung von Formmarken ist schwierig; ihre rechtliche Zulässigkeit hängt von ihrer Unterscheidungskraft gegenüber anderen Marken ab. Obwohl der Europäische Gerichtshof für die Beurteilung der Unterscheidungskraft dreidimensionaler Marken keinen strengeren Maßstab als sonst zulässt, weist er in mehreren Entscheidungen (C-53/01 vom 8. 4. 2003 - Linde; C-218/01 vom 12. 2. 2004 - Henkel) darauf hin, dass es praktisch schwierig sei, die Kennzeichenfunktion für Verpackungsformen nachzuweisen, da in der Regel von ihr nicht auf eine bestimmte Herkunft geschlossen werde. Meist gelingt das nur durch die belegte Verkehrsgeltung - also die Bekanntheit im Markt. Auch der Flaschenform eines Mineralwassers kann unter Umständen die für eine Marke nötige Unterscheidungskraft zukommen (T-305/02 vom 3. 12. 2003, Nestlé-HABM). Bei Wellen - für Wasser ein banales Zeichen - muss die Bekanntheit sehr hoch sein.

Eigenartig ist, wie der OGH in seiner Entscheidung das Juvina-Etikett ausgeklammert hat. Denn die Verwechslungsgefahr, die den Markeneingriff unzulässig macht, ist unter Berücksichtigung aller Umstände zu beurteilen. Im Eingriffsverfahren - wenn die Verletzung einer Marke zu beurteilen ist - muss daher die konkrete Verwendung der Marke durch den Verletzer geprüft werden. Es geht darum, ob die Vöslauer-Marke durch ein konkretes Produkt verletzt wurde - und das ist eine Flasche mit einem großen Etikett.

Begriffliche Spannungen

Die Entscheidung zeigt Spannungen zwischen dem rechtswissenschaftlichen und dem betriebswirtschaftlichen Markenbegriff. Das Verständnis von Marken als Herkunftshinweis gilt der Marketingwissenschaft als überholt. Sie sieht in Marken Identitätskonstrukte, die ein vertrauensbildendes Image vermitteln. Obwohl Juvina offenbar versucht hat, das Qualitätsimage eines Konkurrenten anzuzapfen, ging der OGH in seiner Begründung darauf gar nicht ein. Mit dem Markenrecht ist es schwierig, solcher Marketingstrategien Herr zu werden. (Aurelius Freytag, DER STANDARD Printausgabe, 16.3.2004)