Wer die Haider-FPÖ samt Gefolge immer indiskutabel fand, begrüßte die harte Auslandsreaktion, typische FP-Fans schalteten reflexartig auf "jetzt erst recht". So weit, so vorhersehbar.

Dazwischen aber stehen viele andere: Österreicher/innen, die noch ein letztes Mal SPÖ-treu blieben oder für die ÖVP, doch nicht für Schwarz-Blau votierten. Protestwähler/ innen, die die FPÖ als einzige Alternative sahen, weil sie - bürgerlich, katholisch oder generell traditionell - mit den (gesellschafts-)politischen Signalen von Grün-Liberal nichts anfangen. Und LIF-bzw. Grün-Anhänger, die nicht übersehen, dass Menschen mit bodenständigeren Sorgen auch das Recht haben, ernst genommen zu werden.

Sie alle eint, dass sie gegen Braun, aber für Rot-Weiß-Rot sind. Vielen stößt der Eindruck auf, dass 14 EU-Staaten und andere Nationen sofort, quasi im Affekt, den Bannfluch über Österreich sprachen. Daher tendieren nun auch etliche von ihnen zum "Jetzt-erst-recht"-Lager - obwohl sie so weit rechts gar nicht hingehören (wollen).

Diese Menschen werden, konkret bei nächsten Wahlen, darüber entscheiden, wohin unser Land tatsächlich geht. Spricht man sie richtig an, sind humane Demokratie und nötige Reformen machbar. Düpiert man sie, werden sie den Zündlern umso schneller zulaufen. Ich hoffe, dass dagegen etwas getan wird. Vom Ausland. Und im Inland.

Sehr geehrtes Ausland!

Schön, dass Sie für unser Wohl so massiv einzutreten bereit sind. Ich vermute daher auch, dass Sie, falls es ganz dick kommt, heute für verfolgte und flüchtende Österreicher/innen mehr täten als manche von Ihnen vor rund 60 Jahren. Ich nehme in Kauf, dass die aktuellen Protestnoten nicht gänzlich uneigennützig gezeichnet wurden. Und kann mir durchaus vorstellen, dass Vertreter meiner Heimat hier und dort etwas nachgeholfen haben. Trotzdem glaube ich, dass Ihre - berechtigte - Hauptsorge einem Aufschwung der Rechtsex- tremen gilt. Den wollen in Österreich auch nicht mehr Menschen wirklich, als es in Ihren Staaten faschistoide Vollidioten gibt. Das Problem sind die o. a. anderen.

Sie könnten helfen, das "Jetzt-erst-recht" zu vermeiden, indem Sie sich vorderhand auf wache Beobachtung, fundierte Kritik sowie deutliche Mahnung beschränken, sich aber faktische Sanktionen für den ersten Regel-Verstoß der neuen Regierung aufheben. Die Resolution des EU-Parlaments beispielsweise geht - anders als das Papier, das die portugiesische EU-Präsidentschaft "im Namen von 14 EU-Staaten" vorgelegt hat - in diese Richtung und taugt als Muster.

Liebes Inland!

Die Auslandsreaktionen sind - siehe oben - nicht blütenweiß. Aber bestimmt keine gesteuerte "Kampain". Bei aller Skepsis gegenüber Polit-Packeleien: Es gibt nicht deshalb weltweit Proteste, weil Viktor Klima überall angerufen hat. Also darf sich jede(r) hier ruhig überlegen, ob an der Kritik was dran sein könnte.

Dass der Regierungspakt einen Zusatz braucht, in dem Selbstverständliches wie die Einhaltung von Grundrechten steht, ist alarmierend genug. Dass Schüssel und Haider ihn unterzeichneten, heißt entweder: Sie sind so machtgeil, dass sie alles tun, und pfeifen ohnehin auf die Einhaltung. Dann werden sie auch andere Versprechen brechen. Oder: Beide halten diese Klarstellungen zu Demokratie, Toleranz und Vergangenheitsbewältigung für notwendig. Das sollte auch dem eingefleischtesten FP-Fan zu grübeln geben.

Jörg Haider selbst ersuche ich dringend, Österreichs Ruf nicht erneut aufs Spiel zu setzen. Dass goscherte Bemerkungen Applaus bringen, erstaunt nicht - zumal nicht angesichts der abgehobenen, verklausulierten Sprache, der sich die Politik sonst so gerne bedient. Doch wir bezahlen mit unserem Steuergeld Ihr Gehalt, weil wir erwarten, dass Sie auch dort professionell agieren, wo Provokantes und Provinzielles mehr Lacher brächte. So, wie wir einen Installateur dafür bezahlen, dass er uns aufgrund seiner Fachkenntnis die Stromleitung selbst dann nicht mitten durch die Badewanne legt, wenn wir das fesch fänden.

Haiders Gegner und überhaupt alle heimischen Kämpfer/innen gegen Engstirnigkeit und Kleingeist wiederum lade ich herzlich dazu ein, vom hohen Ross, aus dem elitären Zirkel und/oder aus der vermauerten Nische zu kommen. Es ist keine Zumutung, weniger informierten, weniger sprachgewandten und weltläufigen Menschen in simplen Worten zu erklären, warum - nur zum Beispiel - es eigentlich schlecht ist, wenn ein Land seinen Botschafter abzieht. Oder worin das soziale Risiko mancher Regierungsvorhaben besteht. Es ist nicht kindisch, ehrenrührig oder billig, sich auch bei anders Denkenden verständlich zu machen. Sondern es ist mutig. Und nötig. Für eine echte Demokratisierung, zur Beruhigung Ängstlicher, zur Entzauberung "starker Männer".

Und es hilft mit zu verhindern, dass Österreich bei der nächsten Wahl nicht einmal der gesamte Rest der Welt vor dem Total-Debakel retten kann.

Elisabeth Pechmann, Chefredakteurin des Magazins "Alles Auto", lebt in Wien.