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Zeichensprache, schwere Sprache: Hier das Motiv, auf das Spaniens Friedensaktivisten seit 11. 3. vertrauen.

Foto: REUTERS/Jerry Lampen

Spaniens Beitrag zum Jahrestag des US-Angriffs auf den Irak am 20. März: Die designierte SP- Regierung will ihre Truppen aus dem Irak abziehen - und verhilft damit den islamistischen Gotteskriegern zum Triumph.

José Luis Rodríguez Zapatero ist noch nicht spanischer Regierungschef, nicht mal eine Regierungskoalition hat seine Sozialistische Partei nach dem überraschenden Wahlsieg bisher geschmiedet. Und doch hat der designierte Ministerpräsident eine erste Regierungserklärung hinausposaunt. Man werde die rund 1.300 spanischen Soldaten umgehend aus dem Irak zurückbeordern. Diese Ankündigung mag angesichts der großen Mehrheit, die in Spanien gegen den alliierten Feldzug war, konsequent sein. Richtiger wird sie dadurch nicht.

Als im vergangenen Jahr die konservative spanische Regierung in die US-Koalition eintrat, obwohl die Straßen voller Demonstranten gegen den Krieg waren, musste sich Ministerpräsident Aznar vorwerfen lassen, den Volkswillen zu ignorieren.

Solche Kritiker haben die Demokratie allerdings gründlich missverstanden. Demokratie in einer Republik bedeutet, dass die wählende Mehrheit bestimmt, wer das Land regieren soll. Demokratie bedeutet nicht, dass diese Regierung immer nur das tun darf, was Meinungsumfragen an einem beliebigen Tag der Woche als das aktuelle Volksempfinden feststellen.

Mit der Taktik, jahrelang immer nur das zu tun, was in Umfragen mehrheitstauglich ist, fährt sich die Regierung Schröder gerade mit Karacho an die Wand.

Dass Aznars Regierung die Wahl verlor, hat - auch wenn es manche Kommentatoren partout herbeireden wollen - mit der Beteiligung am Irakkrieg nichts zu tun. In allen Umfragen hatten die Konservativen bis zu den brutalen Anschlägen von Madrid eine sichere Mehrheit. Denn die Konservativen haben eine ordentliche Bilanz vorgelegt, wirtschaftlich und außenpolitisch. Dass es auch skandalöse Verfilzungen gab - welche spanische Regierung wäre da je eine Ausnahme gewesen?

Kein Spielraum ...

Weil sie nach dem Massenmord von Madrid offenbar schamlos die eigene Bevölkerung belogen und Journalisten und sogar die Gesandten befreundeter Geheimdienste mit Falschinformationen versorgt haben, um die Anschläge bis zur Wahl der baskischen ETA, Spaniens Staatsfeind Nummer Eins, in die Schuhe schieben zu können, haben sich die Konservativen ihre Abwahl redlich verdient. Niemand aber hat Zapateros dämlichen Kurswechsel verdient. Offenbar hat er vergessen, in seinem Büro die Kalenderblätter abzureißen. Der Krieg gegen den Irak ist vorbei. Spanien hat bereits mitgemacht und nicht mal Harry Potter könnte das rückgängig machen.

Im März 2004 geht es darum, den Frieden im Irak zu sichern, die erste echte arabische Demokratie aufzubauen, das Chaos einzudämmen. Das ist im Sinne der Welt und im Sinne des Irak. Sich jetzt aus dem Land zurückzuziehen, ist keine Friedensliebe, sondern eine schamlose Pflichtverletzung und ein Affront gegenüber jenen Staaten, die sich auf Spanien verlassen haben.

Der Abzug trifft nicht die großen USA, sondern das kleine Polen, in dessen Zone die Spanier bisher stationiert sind. Und er trifft die Iraker. Ob Zapatero sich dorthin bequemen wird, um der irakischen Bevölkerung zu erklären, warum dasselbe Spanien, das den Einmarsch mitgemacht hat, beim Wiederaufbau davonläuft? Oder handelt es sich etwa nicht mehr um dasselbe Spanien, nur, weil es seine Regierung gewechselt hat?

... für Zugeständnisse

Das fatalste Signal sendet der designierte Ministerpräsident aber an jene, die derzeit auf der ganzen Welt unschuldige Menschen in den Tod reißen. Osama bin Laden und seine Mörderzellen könnten sich keinen größeren Propagandaerfolg wünschen. Wer nur eine Woche nach Madrid den Truppenabzug aus dem Irak höchst offiziell zur dringlichsten politischen Aufgabe erklärt, fällt dem Kampf gegen den Terror auf beispiellose Weise in den Rücken. Die menschenverachtende Logik, Spanien habe sich die Anschläge wegen seines Mittuns im Irak irgendwie selbst eingebrockt, wird damit ebenso unterstützt, wie die Hoffnung der Terroristen, der Westen sei durch Terror zu besiegen.

Zu Erinnerung: Der islamistische Terror stellt konkrete, erfüllbare Forderungen, wenn überhaupt, nur aus taktischen Gründen. Dem Terror fallen nach wie vor mehrheitlich unschuldige Moslems zum Opfer. Und die hinter ihm stehende Ideologie ist nicht verhandelbar. Die Islamisten wollen die Existenz der "Welt der Ungläubigen" beenden. McDonald's-Filialen, Ölpipelines, Truppen im Irak, besetztes Palästina oder Kopftuchverbot in Frankreich - alles willkommener Vorwand.

Der Terror wird nicht aufhören, wenn diese Vorwände nicht mehr sind. Er wird neue Vorwände finden. "Ihr liebt das Leben, wir lieben den Tod", war in einem der Bekennerschreiben zu lesen, das nach den Madrider Anschlägen aufgetaucht ist. Wo ist da noch Spielraum für Zugeständnisse?

Deshalb hätte Zapatero ankündigen sollen: "Wir waren gegen den Irakkrieg und sind es noch immer. Aber wir werden uns jetzt dem Wiederaufbau des Irak nicht verweigern und wir werden uns erst recht nicht dem Terror gegen unschuldige Menschen beugen. Deshalb bleiben unsere Soldaten solange im Irak, bis ihre Aufgabe erledigt ist." Diesen Zeitpunkt hätte man dann immer noch in Ruhe anders definieren können als es die Konservativen vermutlich getan hätten. So aber bleiben drei Signale: Der Westen ist zerstritten. Dem Westen sind die Iraker egal. Der Westen gibt klein bei.

Die westliche Welt, zu der Spanien gehört, muss genau gegenteilige Signale senden, wenn sie das verteidigen will, was uns allen heilig ist. Heilig ist uns zum Beispiel die Möglichkeit, Regierungen abzuwählen. Oder, grundlegender: Das Leben, nicht der Tod. (DER STANDARD, Printausgabe, 20./21.3.2004)