Wien - Die hohen Ausfuhrerstattungen, die die EU für Schlachtrinder zahlt, scheinen in den letzten Jahren Begehrlichkeiten der Fleischbranche geweckt zu haben: Laut Herbert Bösch, SP-Mandatar im EU-Parlament, wurden allein im Jahr 2002 exakt 226.867 Lebendrinder in den Libanon exportiert.

Mit 3,7 Millionen Einwohnern ist aber der libanesische Markt zu klein, um diese Menge - es handelt sich um rund 121.000 Tonnen Fleisch - zu verarbeiten oder selbst zu konsumieren. Dafür wurden aus Mitteln des Garantiefonds Landwirtschaft Ausfuhrerstattungen in Höhe von 52 Millionen Euro gezahlt. Exportierende Länder waren vor allem Deutschland, Frankreich und Irland.

"Der Verdacht besteht, dass der Libanon nicht der Bestimmungsort ist, sondern benachbarte Länder", sagt Bösch, der die EU-Betrugsbehörde Olaf auffordert, diesen Verdacht zu überprüfen und die Ausfuhrerstattungen so lange auszusetzen, bis der Verdacht der Unregelmäßigkeiten ausgeräumt ist. "Um und 120 Euro pro Vieh schicken wir die Tiere um die halbe Welt", kritisiert Bösch, "Das ist die Realität der europäischen Agrarpolitik."

Auch sonst hatte die mit 300 Experten bestückte EU-Betrugsbehörde jede Menge zu tun. Laut EU-Betrugsbericht 2002 wurden mit einem Volumen von 2,12 Mrd. Euro um 66 Prozent mehr Unregelmäßigkeiten festgestellt als im Jahr davor.

Insbesondere im Bereich der Strukturpolitik (darunter sind u.a. die kofinanzierten Projektförderungen zu verstehen) kam es zu einer Steigerung um über 200 Prozent auf 614,1 Millionen Euro. Österreich meldete rund 80 Fälle von möglichen Unregelmäßigkeiten mit einer Summe von einer Million Euro. (DER STANDARD Printausgabe, 25.03.2004 ruz)