Foto: Braun
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Die kompromissloseste Verkörperung der Moderne in der Konsumartikelwelt: Das war Braun in seinen besten Designzeiten, den späten 50er- bis frühen 70er-Jahren. 1970, als das deutsche Unternehmen bereits von seinem Gestaltungsbonus zehren konnte, rief der damalige Juniorchef Erwin Braun einen Designpreis aus. 2003 wurde er zum 14. Mal vergeben, einer der Gewinne für die Finalisten besteht darin, dass eine Ausstellung mit ihren Entwürfen und Prototypen durch Europa tourt. Derzeit macht sie im Wiener Loos-Haus Station.

Die Jury - Vorsitzender ist Peter Schneider, aus Österreich stammender Corporate-Design-Director der Firma, der selbst einmal den Preis gewonnen hat - bewertete nicht nur Gestaltung, Technik und Gebrauchsqualität, sondern auch gesellschaftliche Relevanz und die Fähigkeit der jungen Einreicher, ihre Arbeiten zu präsentieren. Sieger aus über fünfhundert eingeschickten Vorschlägen wurde der Computertomograf "ct.loop" des Mainzer Industriedesigners Benjamin Holch, klar durchdacht und (so weit das möglich ist) benutzerfreundlich. Ebenfalls ins Finale und ins Looshaus haben es ein Elektrizitätsverbrauchsmesser, ein Lawinenrettungsairbag und ein Internetradio geschafft. Ihre Gestalter haben je fast fünftausend Euro bekommen, Holch hat die Wahl zwischen mehr als doppelt so viel Siegerprämie und einem halbjährigen Praktikum beim Sponsor.

Mehr von Braun selbst zeigt eine parallele Schau im 7. Bezirk. Neun in Acryl gegossene und in der Mitte aufgeschnittene Produkte sollen die Verbindung von Form und Funktion sozusagen messerscharf vor Augen führen. Die Durchtrennung per Diamant ist eine technische Leistung, ob man dadurch in das Geheimnis des Designs blicken kann, ist eine andere Frage.

Denn Braun ist nicht mehr gleich Braun. Just als der Preis erstmals ausgeschrieben wurde (und die Firma bereits Gillette gehörte), begann ein Veränderungsprozess, der die puristischen "Ulmer" Vorgaben in jeder Hinsicht aufweichte. Wer die souveräne Moderne heute begehrt, der ist, wie schon einmal im RONDO beschrieben, bei Jonathan Ives neuer Linie für Apple besser aufgehoben.

Braun aber ist bis auf das fast unveränderte Logo kaum mehr wiederzuerkennen. Die Produktpalette - sie konzentriert sich auf Haushalt und Beauty & Healthcare - verbreitet kuschelweiche Fröhlichkeit und wird dabei durch Werbespeak unterstützt. Das "sportliche, schnittige Haifisch-Design" des neuen Rasierers Flex XPII zum Beispiel bietet einen "größeren Spaßfaktor", Soundingenieure sorgen für sein "kerniges Raspeln" auf der Haut.

Da würde Adolf Loos doch in aller Ruhe eher zum klassischen Braun Sixtant greifen. Oder zum Messer. (DERSTANDARD/rondo/26/03/04)