Foto: Palmenhaus
Frequenz ist alles, lautet eines der vielen Credos heimischer Gastronomie-Wissenschaft. Weshalb in den vergangenen Jahren an touristisch stark frequentierten Orten nahezu ausnahmslos Cafés und Restaurants platziert wurden, die aber eben keineswegs ausnahmslos florieren. Was dann damit erklärt wird, dass sich an touristischen Orten die lokale Bevölkerung nicht mehr wohl fühle; was wohl aber eher damit zu tun hat, dass sich die gastronomische Ambition hier in äußerst engen Grenzen hält.

Das Palmenhaus im Wiener Burggarten ist touristisches Interessensgebiet erster Güte, wurde Ende des vorigen Jahrzehnts um sagenhafte Summen renoviert und mit Gastronomie versehen. Die Pächter Barbara und Andreas Böhm entschieden sich schon damals dafür, spazierende Senioren, Touristen und Szene-Menschen unter einem Dach zu vereinen, Szene-Koch Roland Traunbauer (Stomach, Szell) versuchte den Spagat küchenmäßig.

Tatsächlich erreichte das Palmenhaus in den folgenden Jahren eine ziemlich breite Akzeptanz, das Lob für seine Küche blieb aber stets aus. Was mittlerweile aber einer Revidierung bedarf, denn nicht nur, dass Andreas Böhm ein Weinsortiment offeriert, das in Österreichs Szene-Gastronomie einzigartig sein dürfte, es wird derzeit auch so gut gekocht wie bisher nie, und das von einem Mann, der eigentlich Konzeptkünstler ist: Mathias Zykans künstlerische Ader kommt recht deutlich zum Vorschein - Dekoration mit Blumen, Hippen und Kleingemüse aller Gattungen trübt ein wenig den Blick aufs Wesentliche.

Der sich freilich lohnt, schließlich wird derzeit in Wien etwa nirgends besser vegetarisch gekocht, großartig die marinierten Zuckerschoten mit Ziegenkäse-gefüllten Pimientos und einer Art Ziegenkäse-Toast (€ 7,50), die Bärlauch-Topfengolatsche mit Spinat und Pignoli flaumig und erfreulich (€ 11,80). Die gebeizte Lachsforelle auf Grapefruit war optisch aufregender als geschmacklich (€ 8,40), ein Effekt, der auch beim Papaya-Garnelengröstl auffiel (€ 13). Der absolut wunderbare, hausgemachte Lammleberkäse mit Auberginen-Tatar hätte das zierende Brimborium nicht nötig gehabt (€ 8,90), auch beim Red Snapper mit feinem Chicorée wäre der Zitrusfrüchtesalat nicht abgegangen. Beispielhaft jedenfalls die Käseauswahl, und auch das Stanitzel mit Schoko-Ingwer-Füllung weit über dem gewohnten Dessert-Durchschnitt.

Das Palmenhaus hat jedenfalls mehr zu bieten als die beste Terrasse der Stadt und fantastische Architektur - es hat die beste Küche und Weinkarte in Wiens Szenelokal-Szene. (Florian Holzer, DER STANDARD, rondo/02/04/2004)