Endlich einer, der in diesen traurigen Zeiten für etwas Erheiterung sorgt. Der ÖAAB-Chef und oberste Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer fordert nun resolut, endlich für mehr – er weiß, warum – Speed bei der Harmonisierung der Pensionssysteme zu sorgen: "Der runde Tisch soll endlich Gas geben." Bei der Entäußerung dieses Sprachkunstwerks dürfte er die Quadratur des Gaspedals im Sinn gehabt haben, eine ähnlich schwierige Aufgabe wie jene, besagte Harmonisierung seiner Klientel möglichst zu ersparen und dennoch als zeitgemäßer Sozialpolitiker aufzutreten, also mit dem Fuß auf dem Bremspedal nach Beschleunigung des Tempos zu rufen.

Wer sich einer so heiklen Aufgabe unterwindet, darf nicht mit dem Dank des Vaterlandes rechnen, umso mehr mit Grund zur Klage (im Kurier): "Ich bin es leid, dass wir immer als Bremser ins Eck gestellt werden, weil man tagespolitisch einen Sündenbock sucht." Mitleid mit Neugebauer ist aber nicht angebracht, hat doch der Kanzler, mit dem im Wechselspiel er die Harmonisierungsposse über die politische Bühne gehen lässt, die Sündenböcke dafür, dass die bisher gesetzten Termine nicht gehalten werden konnten, ohnehin schon bei der Opposition ausgemacht.

Allerdings: In Zeiten, in denen die ÖVP in den Ländern und der ÖAAB bei den AK-Wahlen eine schmerzliche Niederlage nach der anderen erleiden, gebricht es selbst den eigenen Leute am Glauben in solche Ausflüchte. Wenn Alfred Dirnberger, Vizepräsident der AK Niederösterreichs, Neugebauer "unangebrachte Überheblichkeit und Realitätsverweigerung" bescheinigt, mag der Realitätsverweigerer und mit ihm der Bundeskanzler das noch als heiße Luft eines Kaltgestellten abtun. Tirols Arbeiterkammerpräsident Fritz Dinkhauser, vor allem aber diverse Landeshauptleute sind da schon andere Kaliber. Auch sie werfen der Regierung in der Frage der Pensionen nichts anderes vor als Überheblichkeit und Realitätsverweigerung, wenn sie von ihr mehr "Sensibilität" und Erklärungsaufwand verlangen. Eine Forderung, der sich – man will ja nicht immer nur Sündenbock sein – Neugebauer mit dem moralischen Imperativ "Wir brauchen eine neue Ethik der Behutsamkeit" freudig anschließt.

Nur die sanften Versuche des frisch bestätigten Kärntner Landeshauptmannes, sich vom unsensiblen Regierungspartner abzusetzen, sind noch ergreifender. Österreich müsse wieder zu den Tugenden der sozialen Marktwirtschaft zurückkehren, vom neoliberalen Weg haben die Menschen genug, traut er sich nach seiner Wiederwahl zu flöten.

Da gibt es zwei Möglichkeiten für einen Führer der Freiheitlichen, der ernst genommen werden will. Nicht darauf warten, dass sich nach dem Ambrozyanischen Schisma auch der Rest der SPÖ in seine Geiselhaft begibt. Die hat sich bei ihrer Wiener Klubtagung, was Rot-Blau betrifft, offenbar gefangen und deutlich gemacht, dass es dazu nicht kommen wird. Entweder er sensibilisiert also den Kanzler, kräftig unterstützt von den neuen Behutsamkeitsethikern in der ÖVP, ganz rasch für die Folgen seiner neoliberalen Politik und die Tugenden der sozialen Marktwirtschaft, oder er lässt eine Koalition, in der er sich als Fanatiker sozialer Gerechtigkeit nicht wiederfindet, demnächst platzen, weil er um die diesbezügliche Unbelehrbarkeit Wolfgang Schüssels weiß.

Natürlich wird nichts von allem eintreten. Was die neue Ethik der Behutsamkeit betrifft, werden Schüssel, Khol und Molterer in Anspruch nehmen, schon immer ihre Vorkämpfer gewesen zu sein, aber Reformen müssen nun einmal wehtun. Haider wird den Kanzler ein bissel ärgern und weiter am Leben halten. Und was an Pensionsharmonisierung kommt, wird diesen Namen nicht verdienen – wenn etwas kommt. Bis Pfingsten? (DER STANDARD, Printausgabe, 2.4.2004)