Brüssel - Gestützt durch sieben neue NATO-Mitglieder erhöhen die USA den Druck auf die Verbündeten, einem gemeinsamen Einsatz im Irak zuzustimmen. Beim Treffen mit seinen NATO-Kollegen in Brüssel forderte US-Außenminister Colin Powell am Freitag das Bündnis auf, schon bis zum Gipfel der Allianz Ende Juni in Istanbul Möglichkeiten für ein Engagement zu prüfen. Der deutsche Außenminister Joschka Fischer machte unmissverständlich klar, dass Deutschland sich nicht im Irak militärisch engagieren werde, einen Beschluss der NATO für einen Einsatz aber auch nicht blockieren werde. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer sieht hingegen "kein Risiko der Überforderung".

Fast 15 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa begrüßten die Minister vor den Beratungen ihre Kollegen aus Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, Slowenien und der Slowakei. Für die Länder aus dem ehemals feindlichen kommunistischen Lager gab es eine bewegende Begrüßungsfeier. "Es ist ein Tag der Freude. Wir sind glücklich", sagte Scheffer.

Es ist größte Erweiterungsrunde in der fast 55-jährigen Geschichte der NATO. Sie verschiebt die östliche Grenze des Bündnisses an die Grenze zu Russland. Mit Estland, Lettland und Litauen gehören erstmals drei ehemalige Sowjetrepubliken dazu. Die neuen Partner hatten Anfang der Woche ihre Beitrittsurkunden bei der US-Regierung hinterlegt.

Nach der feierlichen Zeremonie, bei der die Flaggen vor dem Hauptquartier unter den Klängen der Nationalhymne gehisst wurden, sprachen sich alle neuen Bündnispartner dafür aus, die Rolle der NATO im Irak zu stärken. Powell begrüßte diese Haltung ausdrücklich und erinnerte daran, dass nun schon 17 der 26 Mitglieder aktiv die Koalitionstruppen im Irak unterstützten. "Die USA glauben, dass die Allianz eine neue kollektive Rolle im Irak nach der Rückgabe der Souveränität erwägen sollte", sagte er. Am 1. Juli soll die Souveränität wieder auf die Iraker übergehen. Bisher unterstützt die NATO nur Polen, das das Kommando über einen Sektor im Irak hat, mit logistischer Hilfe.

Fischer sagte, für die deutsche Regierung habe derzeit der NATO-Einsatz in Afghanistan erste Priorität. "Unsere Haltung ist klar, wir werden uns an einer möglichen Aktion im Irak nicht beteiligen", sagte Fischer und mahnte die Bündnispartner, ihre Möglichkeiten nicht zu überschätzen. "Die Kräfte sind begrenzt." Entscheidend sei, die Missionen auf dem Balkan und in Afghanistan zum Erfolg zu führen. "Das sind zwei wichtige Beiträge auch im Kampf gegen den Terrorismus."

Im Gegensatz zu Fischer sieht Scheffer durch einen möglichen Einsatz von NATO-Einheiten im Irak "kein Risiko der Überforderung" des Bündnisses. Unter den Staaten des Transatlantischen Bündnisses gebe es "eine Menge Unterstützung" für eine neue UNO-Resolution zum Irak. Den UN-Beschluss wiederum halte er für "politisch notwendig", bevor die NATO sich im Irak engagieren könne.

Die Minister billigten grundsätzlich einen militärischen Plan, der eine Ausweitung des Einsatzes in die afghanischen Provinzen vorsieht. De Hoop Scheffer sagte, Fragen der militärischen Umsetzung müssten noch geklärt werden. Er wies zurück, dass die Bereitschaft der NATO- Staaten gering sei, ausreichend Truppen und Material zu stellen, um bis Juni fünf so genannte Regionale Aufbauteams außerhalb der Hauptstadt Kabul aufzustellen. "Ich bin aber noch nicht vollkommen zufrieden", sagte er. Die NATO führte seit vergangenem August die Stabilisierungstruppe ISAF.

Gut drei Wochen nach den Anschlägen von Madrid drohte die NATO dem internationalen Terrorismus mit ihrer militärischen Macht. In einer gemeinsamen Erklärung hieß es, die Allianz werde zum Schutz ihre Werte und Bürger Operationen der Selbstverteidigung beschließen. Die Aktionen sollen durch die Charta der Vereinten Nationen gedeckt sein. "Wir sind entschlossen, so lange wie es nötig ist, zusammen zu kämpfen", hieß es.

Zum Abschluss des Treffens war ein erstes gemeinsames Treffen der 26 Außenminister mit dem neuen russischen Außenminister Sergej Lawrow im NATO-Russland-Rat geplant. Die Führung in Moskau hat große Bedenken wegen der Erweiterung. (APA/dpa)