Der Schutzschild ist weg. Ab sofort muss Waltraud Klasnic die Pfeile alleine abwehren. Mit der Trennung ihre Schildknechtes Herbert Paierl hat die steirische ÖVP-Chefin und Landeshauptfrau Waltraud Klasnic sich zwar kurzfristig eines Problems entledigt, damit aber keines gelöst.

Klasnic hat offenbar keinen Ausweg mehr gesehen. Die Landtagswahl 2005 vor Augen, den Estag-Skandal und denkbar schlechte Umfragenwerte im Nacken, hat sie die Notbremse gezogen. Es wäre ein Fehler, dies als Führungsstärke zu interpretieren.

Das Kalkül, den in der Affäre um den Landesenergiekonzern Estag unter Druck geratenen Landesrat Herbert Paierl vom Spielfeld und damit Druck aus dem Konflikt zu nehmen, um damit wieder Ruhe in die Partei zu bringen, ist viel zu kurz gedacht. Der Druck wird weiter zunehmen. Er hat ja erfolgreich Wirkung gezeigt.

Das wissen jetzt nicht nur Paierls innerparteiliche Gegner, sondern natürlich auch die SPÖ. Wie das Amen im Ostergebet hat der politische Gegner, die SPÖ, den Rücktritt Paierls emotionslos zur Kenntnis genommen und das Rad sofort weitergetrieben.

Jetzt werde die eigentliche, die große Auseinandersetzung folgen. Nämlich mit Klasnic selbst, "der wirklichen und letzten Verantwortlichen" für den Skandal im steirischen Energiekonzern Estag rund um schwere Managementmängel, fehlende Controllingsysteme, um Freunderlwirtschaft und lockeres Geld.

Was aber noch schwerer wiegt: Die steirische ÖVP, seit 60 Jahren Landeshauptmannpartei, groß und mächtig, ist dabei, sich selbst zu erledigen. Sie steht vor einer Spaltung. Gerhard Hirschmann, der vom ÖAAB und den lokalen Medien des Styria-Konzerns und der Kronen Zeitung getragen wird, dürfte jetzt nicht auf halben Wege aufgeben.

Warum sollte er? Er hat nach seinem Hinauswurf aus der Estag, nachdem er sich mit seinen Vorstandskollegen völlig überworfen hatte - woraufhin Aufsichtsratschef Johannes Ditz alle wegen "Handlungsunfähigkeit" rausschmiss -, Rache geschworen. Er wolle "völlige Rehabilitierung".

Und auch, dass sein Widerpart, den er für seinen Rausschmiss verantwortlich macht - Jugend- und Parteifreund Herbert Paierl -, gehen müsse. Das exekutierte jetzt Klasnic - just zu einem Zeitpunkt, da sich die Partei, die immer ein distanziertes Verhältnis zu Paierl hatte, hinter ihren Landesrat zu stellen begann.

Denn der theatralisch inszenierte Auftritt Gerhard Hirschmanns vor dem Estag-Untersuchungsausschuss, in der er die gesamte ÖVP-Führung desavouierte und der Mitwissenschaft am Estag-Skandal beschuldigte, irritierte schwer.

Hirschmann hatte erstmals seine gewaltige Rhetorik, die er zum Gaudium seiner Leute früher gegen die politischen Gegner gewandt hatte, gegen die eigene Reihen gerichtet. Das verstörte.

Hinter Herbert Paierl steht die Wirtschaft, die jetzt nicht zulassen will, dass der ÖAAB gänzlich das Ruder in der Partei übernimmt. Wirtschaftskammerchef Peter Mühlbacher rechnet bereits mit kommenden harten Auseinandersetzungen.

Mit mütterlicher Fürsorge wird Klasnic diesen Konflikt nur schwer auf die Reihe bringen. Zumal ihr die Zeit davonrennt und sie schon ein Gutteil ihres historischen Wahlsieges - laut Umfragen - verspielt hat.

Klasnic soll im kleinen Kreis in den letzten Monaten öfters geklagt haben, sie halte "den Druck nicht mehr aus" und müsse Paierl opfern. Der Druck kam eben auch von außen, von den dominierten lokalen Medien. Ein nicht unwesentlicher Faktor für die Krise der ÖVP.

In einem offenen Brief an die Generaldirektion der Styria beklagte sich Paierl Ende Jänner über die Kampagne, die gegen ihn inszeniert werde. Ihn mache "die Unterdrückung von wesentlichen Informationen gelinde gesagt nachdenklich".

Monatelang lasen Steirer fast täglich, dass Paierl als Politiker gehen müsse. Klasnic gab jetzt auch diesem Druck nach. "Wenn das alles so leicht geht?", fragt ein nachdenklicher Wirtschaftskammerchef Peter Mühlbacher. (DER STANDARD Printausgabe, 05.04.2004)