Paris - Nach der Entmachtung der bisherigen Eurotunnel-Leitung durch einen Putsch der Aktionäre hat die neue Führungsriege Gespräche mit der Pariser Regierung über eine Entschuldung des Unternehmen angekündigt. Er habe um ein Gespräch mit dem französischen Präsidenten Jacques Chirac gebeten und werde auf jeden Fall mit dem Pariser Verkehrsminister Gilles de Robien zusammenkommen, sagte der Wortführer der Kleinaktionäre, Jacques Maillot, in der Nacht zum Donnerstag.

"Neuverhandlung"

Dabei wolle er eine "Neuverhandlung" des Vertrags von Canterbury von 1986 vorschlagen, in der die Regierungen Frankreichs und Großbritanniens finanzielle Hilfen für den Tunnel unter dem Ärmelkanal ausgeschlossen hatten. Maillot soll nach dem Beschluss der Aktionärsversammlung in wenigen Tagen an die Spitze des Unternehmens treten.

Auf der gerichtlich erzwungenen außerordentlichen Aktionärsversammlung hatten am Mittwochabend 63,4 Prozent der anwesenden Anteilseigner für die Entmachtung der Konzernspitze gestimmt. Die Kleinaktionäre warfen der bisherigen Unternehmensleitung vor, für den Schuldenstand von rund 9 Mio. Euro verantwortlich zu sein und keine Erfolg versprechenden Konzepte zur Sanierung der Bilanzen vorgelegt zu haben.

"Aggressive Preispolitik"

Maillot kündigte an, in spätestens drei Monaten werde die Gesellschaft eine "aggressive Preispolitik" einleiten. Der Tunnel unter dem Ärmelkanal wurde mit dem Geld hunderttausender Kleinaktionäre errichtet. Die Auslastung liegt seit Jahren weit unter den ursprünglichen Erwartungen.

Kapitalvernichtung

Die Kleinaktionäre wollten mit dem "Putsch" vom Mittwoch den Betreiber des Tunnels unter dem Ärmelkanal vor einer Insolvenz retten, die ihr investiertes Kapital vernichten würde.

Auf der außerordentlichen Hauptversammlung stimmten die Aktionäre für die Abwahl von Konzernchef Richard Shirrefs und des Vorstands um Charles Mackay. Alle 14 vom Management vorgelegten Resolutionen wurden von den Aktionären abgelehnt.

Die unzufriedenen Kleinaktionäre scharten sich letztes Jahr um den politisch rechtsgerichteten ehemaligen Finanzjournalisten Nicolas Miguet, der vor Gericht eine außerordentliche Hauptversammlung durchsetzte. Mackay räumte schon zu Beginn der Sitzung am Donnerstag offen ein: "Wir haben nicht die Mehrheit der abgegebenen Stimmen."

"Legaler Überfall"

Der von der Konzernspitze als Retter engagierte ehemalige Club-Med-Chef Philippe Bourguignon warf bereits vor Beginn des Aktionärstreffens das Handtuch. Bourguignon sprach am Mittwoch von einem "legalen Überfall" und verzichtete auf eine Kandidatur. Die allermeisten der über eine Million Aktionäre hätten gar nicht gewählt, sagte er im Radio France-Info. Bourguignon warf den Gegner des aktuellen Managements vor, keine klare Strategie zu haben.

Der 50 Kilometer lange Tunnel zwischen Großbritannien und Frankreich wurde auf Drängen der damaligen englischen Premierministerin Margaret Thatcher ohne öffentliche Mittel finanziert. Die französische Regierung stellte am Mittwoch noch einmal klar, der Staat werde auch jetzt keine Steuergelder zuschießen. Die Zahl der Reisenden durch das 1995 in Betrieb genommene Bauwerk liegt mit derzeit knapp 16 Millionen weit unter den ursprünglichen Prognosen. (APA/dpa/AP)