Wien/London - Nach der Schweiz will nun auch Großbritannien als weltweit zweites Land eine Lkw-Maut auf allen Straßen einführen. Während in Österreich Vizekanzler und Verkehrsminister Hubert Gorbach (F) gestern, Mittwoch, zum ersten Mal laut über eine flächendeckende Lkw-Maut nachgedacht hat, steht Großbritannien bereits kurz vor der Ausschreibung eines solchen Systems. Die Interessentensuche nach potenziellen Errichtern für das System startet voraussichtlich Ende dieses Monats. Die notwendigen Gesetzesänderungen sollen noch im Sommer erfolgen und nach einer Testphase 2006/07 soll die flächendeckende Maut in Großbritannien 2008 in Betrieb gehen, geht aus einem Bericht der britischen Ministerien für Finanzen und Transport hervor, der Mitte März veröffentlicht worden ist.

Ausweichverkehr

Der Bericht spricht die österreichische Diskussion über den Ausweichverkehr in Österreich explizit an. Einzelne Regionalpolitiker in Österreich hätten von einer Steigerung des Lkw-Verkehrs um 60 Prozent auf den Ausweichrouten zu den Autobahnen gesprochen. Durch die Bemautung sämtlicher Straßen werde dies in Großbritannien vermieden, heißt es in dem Report.

Bereits im Budget 2001 hatte Großbritannien eine solche Maßnahme angekündigt. Mit dem nun veröffentlichten Fortschrittsbericht werden die Pläne nun konkret. Ziel sei es, dass jeder Lkw in England, unabhängig davon, wo er herkommt, für die Kosten aufkomme, die er verursache, so der Bericht. Wie hoch die britische Lkw-Maut sein wird, ist aber noch offen.

Verbot durch EU-Mautrichtlinie

Die geltende EU-Mautrichtlinie (Wegekostenrichtlinie) würde eine flächendeckende Lkw-Maut eigentlich verbieten. Zulässig seien Lkw-Mauten demnach nur auf vierspurigen oder breiteren Straßen mit Mitteltrennung. Nur auf stark belasteten Ausweichrouten, auf denen durch den zusätzlichen Lkw-Verkehr die Straßensicherheit gefährdet werde, seien ebenfalls Mauten erlaubt, heißt es aus dem Verkehrsministerium.

Der Trick der Briten: Sie nennen ihre Maut nicht Maut, sondern Steuer - konkret "lorry road user-charge". Anders als Österreich, dass sich durch die Ausdehnung der Lkw-Maut vor allem eine Eindämmung des Lkw-Verkehrs erhoffen würde, geht es in Großbritannien vor allem um zusätzliche Einnahmen. Das Geld wandert direkt ins Budget. Ob das auch nach Beschluss der neuen Wegekostenrichtlinie halten wird, ist unklar. Bisher ist eine eindeutige Zweckwidmung der Mittel im Gespräch. Die Briten betonen aber, "alles zu tun", damit die neue Wegekostenrichtlinie mit ihren Plänen "kompatibel" sein wird.

Auge zudrücken

Die Chancen dafür, dass Brüssel ein Auge zudrücken wird, stehen für Großbritannien grundsätzlich weit besser als für Österreich - trifft doch die flächendeckende Maut in England im Wesentlichen den inländischen Lkw-Verkehr. Transit ist auf der Insel kaum ein Thema.

In der EU erlaubt sind übrigens auch so genannte Stadtmauten. In London gibt es eine solche City-Maut für Lkw und Pkw bereits seit dem Vorjahr. Ab 7.00 Uhr früh müssen Autofahrer auf dem Weg ins Zentrum eine Tagesgebühr in Höhe von fünf Pfund (7,59 Euro) entrichten. Auch andere britische Städte wollen demnächst Maut kassieren. Konkret geplant ist eine City-Maut derzeit auch bereits in Stockholm, außerhalb der EU gibt es City-Mauten vor allem in Norwegen.

Eine landesweite Lkw-Maut gibt es hingegen derzeit weltweit nur in der Schweiz Sie hat bereits seit 2001 eine flächendeckende Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) eingeführt. Pro Kilometer und Tonne zahlt eine Lkw dort je nach Schadstoffklasse zwischen 1,42 und 2 Rappen - das sind für einen 30-Tönner zwischen 0,27 und 0,38 Euro je Kilometer. Der Lkw-Verkehr ist dadurch in der Schweiz um 10 Prozent zurückgegangen. 2003 hat die LSVA der Schweiz 843 Mio. Franken (541 Mio. Euro) eingebracht, die Kosten lagen demgegenüber bei 59 Mio. Franken.(APA)