Wer geglaubt hatte, Kundgebungen auf Autobahnen und anderen stark befahrenen Verkehrsrouten würden zu wirkungslosen Routinedemos, ist seit den vorösterlichen Aktionen dieser Woche eines Besseren belehrt. Die rund zehn^tausend Menschen, die ins^gesamt an den drei Werktagen in mehreren Bundesländern ihren Unmut zeigten - da^runter viele, die erstmals an Kundgebungen teilnahmen -, lassen sich auch politisch kaum übersehen.

Zumal sie von keiner großen Organisation der Ökologie^bewegung mit erheblichen finanziellen und organisatorischen Mitteln zur Teilnahme aufgerufen wurden, sondern federführend von einem relativ kleinen Verein - dem Transitforum Austria-Tirol, dessen Stärke in regionaler Verankerung und gewiss auch in der Popularität eines sachkundigen Obmanns begründet liegt.

Ein Indiz für die Wirkung sind nicht nur die kuriosen Dankesworte an die Teilnehmer von jenen politisch Verantwortlichen wie dem Tiroler Landeshauptmann oder dem Verkehrsminister, deren "Versäumnisse" und "Untätigkeit" diesmal im Mittelpunkt der Kritik standen. So durchschaubar diese Reaktionen in ihrer Strategie waren - als Versuch, die Proteste als Druckmittel gegen "Brüssel" zu vereinnahmen -, so sehr sind sie ein Hinweis dafür, dass die Anliegen der Demonstranten ernst genommen werden (müssen).

Deutlicher noch spricht für eine Wirkung der Proteste die prompte Ankündigung von Verkehrsminister Hubert Gorbach, die Lkw-Maut für Autobahnen auf Bundes- und Landesstraßen auszudehnen, womit er sich ohne Quellenangabe einen Vorschlag aus dem "Ostermanifest" des Transitforums zu Eigen machte.

Transitforum und Gorbach verweisen auf das Beispiel des Nicht-EU-Mitglieds Schweiz, wo - erstmals in der Welt - eine flächendeckende Lkw-Maut eingeführt wurde. In der Schweiz wird unabhängig vom Typ der befahrenen Straße nach gefahrenen Lkw- Kilometern abgerechnet. Ein Beispiel, das nun auch im EU- Staat Großbritannien modifiziert erwogen wird: um EU- konform zu sein, wird die Maut auf der Insel "Steuer" genannt.

Sollte sich also eine flächendeckende Lkw-Maut auch in ihrer Höhe an der EU-Wegekostenrichtlinie orientieren, dann dürfte politischer Wille im Bund und in den Ländern ausreichen, um sie einzuführen. Und nachdem seit dem Aus des Transitabkommens zu Jahresbeginn der Lkw-Verkehr auf den Transitrouten nochmals erheblich angestiegen ist und vermehrt auf Nebenrouten ausweicht, könnte eine flächendeckende Maut kurzfristig, wie Experten meinen, auch mit Sicherheitsgründen begründet werden.

Ein gewisser Effekt der Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene dürfte jedenfalls von einer solchen Abgabe zu erwarten sein - und damit auch eine Reduzierung der Luftschadstoffe auf gesundheitsverträgliche Werte. Im Inntal liegen die Schadstoffe deutlich über den gesetzlich fixierten EU-Grenzwerten, die Zahl der an Asthma Erkrankten ist gestiegen. Aber auch Betriebe, namhafte Konzerne, sind betroffen, da neue Betriebsanlagen aufgrund der hohen Luftbelastung kaum genehmigt werden.

Für eine nachhaltige Verlagerung sind aber wohl weitere Transportbeschränkungen auf der Straße notwendig. Ohne zusätzliche Lkw-Fahrverbote wird der nötige Druck nicht zu erzeugen sein, wird die Bahn beim Gütertransport kaum aufholen können. Was wiede^rum eine Bedingung dafür ist, dass der derzeit nahezu wöchentlich gepriesene Brennerbasistunnel, so der Bau zu finanzieren ist, auch einmal benützt werden wird.

Bundessache wäre etwa die Einführung eines (in der Schweiz seit 1934 bestehenden) generellen Lkw-Nachtfahrverbots. Und neben dem Immissionsschutzgesetz Luft, das die Verantwortlichen in den Ländern bei Grenzwertüberschreitungen zum Handeln zwingt, böte auch die Alpenkonvention, die in Österreich seit kurzem geltendes Recht ist, eine Handhabe. Die Verantwortung liegt nicht nur bei den Mächtigen in Brüssel. (Benedikt Sauer, Der Standard, Printausgabe, 09.04.2004)